Hygiene-News September 2015
Bitte beachten Sie, dass diese Informationen eine individuelle Beratung nicht ersetzen können!
Eventuelle Änderungen, die nach Ausarbeitung erfolgen, werden erst in der nächsten Ausgabe berücksichtigt. Trotz sorgfältiger und gewissenhafter Bearbeitung aller Beiträge übernehmen wir keine Haftung für den Inhalt.
Kommentare in kursiv.
1. Infektionskrankheiten, die bei Asylsuchenden auftreten können
Das RKI hat im Epidemiologischen Bulletin 38/2015 auf das Auftreten von für Deutschland ungewöhnlichen Erkrankungen hingewiesen. Insbesondere unter den zahlreichen Flüchtlingen werden vereinzelt schwere und/oder seltene, teilweise mit der Flucht assoziierte Krankheiten festgestellt.
Hinsichtlich des möglichen Auftretens von Malaria, Typhus etc. (Details im Epid. Bull. ab Seite 3) weist das RKI auch ganz grundsätzlich darauf hin, dass diese Erkrankungen einer raschen Diagnostik und einer zielgerichteten Therapie bedürfen. Medizinischem Personal mit Kontakt zu Asylsuchenden wird daher empfohlen, auf diese ungewöhnlichen Erkrankungen vorbereitet zu sein.
Zudem sind einzelne Krankheitsübertragungen bei engem Kontakt durchaus möglich, auch wenn eine Ausbreitung in die Allgemeinbevölkerung sehr unwahrscheinlich ist.
Die erläuternde Tabelle des RKI beinhaltet neben den hygienischen Übertragungswegen zudem auch die je nach Herkunftsland unterschiedliche Exposition zu bestimmten Krankheiten sowie eine Einschätzung, ob sich der Erreger in deutschen Gemeinschaftseinrichtungen manifestieren kann.
Weiterführender Link:
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2015/38/Tabelle.html
2. Tuberkulose wieder im Kommen?
Ähnlich dem RKI äußern sich auch einige Infektiologen, die damit rechnen, dass sich im Zuge der Flüchtlingsbewegungen auch die Tuberkulose weiter ausbreiten könnte. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Anzahl der Fälle schon mehr als verdoppelt.
Bereits für 2014 hatte das RKI über den starken Anstieg an Tuberkulose-Infizierten unter Asylsuchenden informiert. Im beigefügten Artikel der Ärztezeitung sensibilisiert der Infektiologe Professor Tobias Welte aus Hannover nun dafür, dass die Tuberkulose (Tb) aus dem Bewusstsein deutscher Ärzte fast verschwunden sei und man sich nun wieder mit dem Krankheitsbild auseinandersetzen müsse.
Als Risikogruppe werden vor allem Zuwanderer mit Zeichen einer ambulant erworbenen Pneumonie genannt. Bei dieser Patientengruppe (Tb-Hochprävalenzländer lt. RKI: Somalia, Eritrea, Syrien, Serbien und Kosovo) müsse im Rahmen der Diagnosestellung unbedingt an eine Tb gedacht werden. Ergänzend werden die klassischen Symptome rezitiert, bei denen von einer Tb auszugehen sei.
Aus hygienischer Sicht ist das Personal am ehesten in Ambulanzbereichen sowie bei der Errichtung von Isolierungsmaßnahmen (Aerogene Übertragung!) zu sensibilisieren.
Weiterführender Link:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/tuberkulose/article/893986/infektiologen-warnen-tuberkulose-vormarsch.html?sh=1&h=-2066703713
3. Multiresistente Erreger bereiten Patienten die größten Sorgen
Anlässlich des 1. Internationalen Tags der Patientensicherheit (17. September) wurden verschiedene Umfragen u.a. zu den möglichen Gefahrenquellen für Patienten durchgeführt. Nosokomiale Infektionen werden von Patienten besonders gefürchtet.
Etwa zwei Drittel aller Patienten schätzen multiresistente Erreger bzw. Krankenhausinfektionen in einer repräsentativen Befragung der Asklepios Kliniken als größte Bedrohung für die Patientensicherheit ein. Neben der Sorge, sich zu infizieren, befürchten fast die Hälfte der Patienten (49 %) einen Behandlungsfehler und mehr als ein Drittel den Kontakt mit kontaminiertem Operationsbesteck.
Diese Zusammenhänge greift das Arbeitsbündnis Patientensicherheit auf und weist darauf hin, dass der Personalmangel in deutschen Krankenhäusern einen wesentlichen Einfluss auf Krankenhausinfektionen nehme. In die gleiche Richtung argumentiert auch Prof. Petra Gastmeier von der Charité, wenn Sie die Arbeitsverdichtung auf den Stationen als Grund für Compliancedefizite bei der Händehygiene beschreibt.
Weiterführende Links:
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/klinikmanagement/article/894277/klinik-patienten-multiresistente-keime-bereiten-groesste-sorge.html?sh=1&h=800286699
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/64150/Studie-zur-Patientensicherheit-Wovor-fuerchten-sich-deutsche-Patienten-am-meisten?s=hygiene
4. Aktualisierung der STIKO-Empfehlungen & Hinweis zum Impfschutz
Die STIKO hat im Epidemiologischen Bulletin 34/2015 aktualisierte Impfempfehlungen (Stand: August 2015) veröffentlicht.
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/AktuelleAusgaben/aktuelleAusgaben_table.html
Inhaber einer Arztpraxis können bei der Einstellung von Mitarbeitern nach deren Impfstatus fragen und sie ggf. ablehnen, wenn der Impfschutz fehlt.
Die KBV weist aber auch daraufhin, dass der Impfschutz trotz dieser neuen Regelung weiterhin freiwillig ist.
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/64083/Bei-der-Einstellung-von-Mitarbeitern-nach-Impfschutz-fragen?s=hygiene
5. BaWü: Erweiterung der MRE-Meldepflicht
In Kliniken in Baden-Württemberg mussten bisher gezielt Untersuchungsdaten zu MRSA halbjährlich an die Gesundheitsbehörden gemeldet werden. Diese Meldepflicht wird seit Juli dieses Jahres für gramnegative Erreger, die gegen alle vier klinisch relevanten Antibiotikagruppen resistent sind (4MRGN), erweitert.
Die Techniker Krankenkasse (TK) erläutert hierzu, dass die Daten zu einem besseren Schutz der Patienten vor Krankenhauskeimen beitragen sollen. Unter Hygienefachpersonal ist mittlerweile bekannt, dass die Zahl der mit MRSA besiedelten Patienten lang
sam zurückgeht, wohingegen sich gramnegative Erreger immer weiter ausbreiten.
In diesem Kontext sind die Daten der TK zum Infektions- und Erregerauftreten in Baden-Württemberg recht interessant, da hier u.a. auch von einer Erhöhung der Anzahl an Blutvergiftungen bei stationär behandelten Patienten um 10 % von 2012 auf 2013 berichtet wird.
Weiterführender Link:
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/klinikmanagement/article/893271/baden-wuerttemberg-erweiterte-info-pflicht-klinikkeime.html?sh=1&h=-1145983737
6. Generelles MRSA-Screening offenbar wenig effizient
In vielen Krankenhäusern wurde das von der KRINKO favorisierte risikobezogene Screening von MRSA-Patienten mittlerweile auf ein generelles Screening erweitert. Die Zeitschrift Management & Krankenhaus berichtet über die Auswertung einer Studie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, welche Hinweise darauf gibt, dass ein gezieltes Screening effizienter sei.
Die Untersuchung stützt sich auf 355 Patientendaten zweier Intensivstationen während eines dreimonatigen Untersuchungszeitraums Ende 2014. Die Initiatoren leiten aus der Studie u.a. die folgenden zwei Erkenntnisse ab:
- Bestätigung des bisherigen Vorgehens im Universitätsklinikum, Patienten nur dann auf MRE zu testen, wenn sie ein Risikokriterium erfülllen (MRSA in Anamnese, chronische Wunde, Direktverlegung aus anderen Krankenhäusern oder Rehabilitationskliniken, Dialysepflicht)
- Patienten, die in dem Jahr vor der Krankenhausaufnahme in einer Reha-Klinik behandelt wurden, sind überproportional oft MRE-Träger – ganz im Gegenteil zu Bewohnern von Altenheimen
Der Medizinische Vorstand des Dresdner Uniklinikums, Prof. Michael Albrecht, sieht zudem Belege dafür, dass ein Screening vor dem Hintergrund der ohnehin am Patienten umzusetzenden Hygienemaßnahmen nur ergänzend sinnvoll sei. Das Screening alleine sei nur eine vordergründige Maßnahme im Kontext der Krankenhaushygiene.
Das Uniklinikum sieht nun weiteren Untersuchungsbedarf, um die Ergebnisse der Studie wissenschaftlich weiter zu untermauern. Dabei sei eine Untersuchung mit höheren Patientenzahlen nötig, um allgemeingültige Schlussfolgerungen ziehen zu können.
Dieser letzte Aspekt der Veröffentlichung ist insofern von besonderer Bedeutung, als dass die Management & Krankenhaus vor allem von Geschäftsführern gelesen wird und die Artikelüberschrift eine mögliche Kosteneinsparung beim Screening suggeriert. Der Artikel geht allerdings leider nicht auf die vergleichsweise hohen personellen Opportunitätskosten ein, die das Abprüfen der einzelnen Risikokriterien im Gegensatz zu einem generellen Screening hervorruft.
Weiterführender Link:
http://www.management-krankenhaus.de/news/multiresistente-keime-pauschales-screening-kliniken-offenbar-wenig-effizient
7. Deutsche Antibiotika-Resistenz-Strategie
Antibiotika-Leitlinien sollen bald praxisnäher sein und auch Hinweise zu Therapiedauer und Dosis beinhalten. Im Gesamtkontext der DART ist dies aber nur ein Handlungsfeld auf dem Fortschritte gemacht werden sollen.
Rückblickend werden der DART deutliche Erfolge attestiert, u.a. die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes, die Etablierung der Kommission ART am Robert-Koch-Institut sowie der Aufbau von Surveillance-Instrumenten zur Erhebung von Antibiotika-Resistenzen und -Verbrauch.
Mit Blick auf die DART 2020 sind von der ART Kommission noch weitere Verbesserungen zu erwarten:
- Standards zu Diagnostik und Therapie von Infektionskrankheiten
- Konkrete Vorschläge für die Optimierung von Rahmenbedingungen und Abbau von Hindernissen für eine sachgerechte Therapie
Zuletzt beschäftigte sich die Kommission mit der perioperativen Prophylaxe. Zu dieser Thematik ist nun eine Leitlinie auf S3-Niveau in der Entwicklung. Dabei soll auch beachtet werden, wie die Empfehlungen besser in der Praxis implementiert werden können.
Weiterführender Link:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/atemwegskrankheiten/article/893911/dart-2020-deutsche-antibiotika-resistenz-strategie.html?sh=5&h=800286699
8. Abnahmegarantien für neue Antibiotika?
Die FAZ greift die Resistenzproblematik bei multiresistenten Erregern und die Zurückhaltung von Pharmaunternehmen bei der Entwicklung neuer Antibiotika auf.
Die zunehmende Resistenzentwicklung in Krankenhäusern schreckt viele Unternehmen hinsichtlich der Forschung in neue antibiotische Wirkstoffe ab. Hintergrund ist vor allem die Aussicht, dass sich neue Präparate betriebswirtschaftlich nicht mehr amortisieren könnten. Birgit Fischer, die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller, äußert sich nun zu einer möglichen Strategie, wie die Entwicklung neuer Antibiotika möglicherweise wieder attraktiver gemacht werden kann:
- Erstellung einer Liste schwer behandelbarer Erreger (Antibiotika gegen solche Keime sollen im Rahmen der „frühen Nutzenbewertung“ honoriert werden)
- Kostenerstattung für Krankenhäuser, um die Behandlung mit solch (höherpreisigen) Antibiotika abzudecken
- Abnahme- und Preisgarantien für gewisse Antibiotika-Kontingente, statt Einsatz als Reservepräparat
Insbesondere der letzte Punkt scheint schwierig umzusetzen. Nicht nur unter dem Aspekt einer zielgerichteten Antibiose durch den behandelnden Arzt, sind Abnahmegarantien unsinnig. Vielmehr trägt ein großflächiger Einsatz einer neuen Substanz auch das Risiko neuer Resistenzbildungen in sich.
Weiterführender Link:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/multiresistente-keime-pharmaindustrie-fordert-abnahmegarantien-fuer-neue-antibiotika-13788268.html
9. BDC-Tipp zur perioperativen Antibiotikaprophylaxe
Der Bund deutscher Chirurgen widmet sich im neuesten Hygiene-Tipp den Zusammenhängen rund um die perioperative Antibiotikaprophylaxe. Der Artikel fasst anschaulich einige wesentliche Aspekte unter Berücksichtigung von Nebenwirkungen und Resistenzentwicklungen zusammen.
Die Veröffentlichung enthält u.a. folgende Hinweise:
- Antibiotikaauswahl nach den wahrscheinlichsten Erregern für eine postoperative Wundinfektion (z.B. 1.-Gen. Cephalosporin gegen Staphylokokken)
- Meist Single-Shot-Prophylaxe ausreichend (unter Berücksichtigung von Halbwertszeit des Antibiotikums und Dauer des Eingriffs)
- Erstellung einer hausinternen Antibiotika-Leitlinie angepasst an die lokale Resistenzentwicklung
Weiterführender Link:
http://www.bdc.de/index_level3.jsp?documentid=37B399547194CF5DC1257EBA003449&form=Dokumente
10. Wussten Sie schon, dass …
… im WDR-Radio Alternativen zu Antibiotika diskutiert wurden?
Forscher suchen nach neuen Wegen bei der Bekämpfung von Bakterien, da Antibiotika nicht mehr die „attraktiven Substanzen“ darstellen. Erfrischend und konstruktiv wurde im WDR-Programm Leonardo: Wissenschaft und mehr über Antibiotika und alternative Behandlungsmethoden berichtet.
Ausgangslage war selbstverständlich die insbesondere in Krankenhäusern zunehmende Anzahl an antibiotikaresistenten Erregern. Im Bericht werden Phagen und antimikrobielle Peptide als Alternativen vorgestellt.
Weiterführender Link:
http://www1.wdr.de/radio/podcasts/wdr5/leonardo302_pcp-5.html
(Sendung vom 16.09.2015 ab Minute 18.45)
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