Hygiene-News Oktober 2015

1. Antibiotika-Resistenzen: Ursachen und Perspektiven

Multiresistente Erreger breiten sich aus und auch der Grad an Antibiotika-Resistenzen nimmt zu. Doch wo liegen konkret die Gründe für die Zunahme an Resistenzen? Die Ärztezeitung wirft einen Blick auf die wesentlichen Ursachen:

  • Grundsätzliche Fähigkeit der Bakterien zur raschen natürlichen Resistenzbildung, durch Mutationen innerhalb kurzer Vermehrungszyklen
  • Noncompliance in der Humanmedizin, wenn z.B. virale Infektionen mit Antibiotika behandelt werden oder Therapien zu früh beendet werden
  • Übertragung von Erregern nosokomialer Infektionen, durch Defizite in der Umsetzung hygienischer Grundprinzipien
  • Antibiotika-Einsatz in der Veterinärmedizin, der auch deshalb als zu hoch vermutet wird, weil das Einkommen von Tierärzten zu 50 bis 80% aus der Arzneimittel-Verordnung resultiert
  • Weniger Antibiotika-Innovationen, auch weil diese von Industrieseite aufgrund vermeintlich geringer Gewinnerwartungen kaum noch forciert werden

Weiterführender Link:
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/arzneimittelpolitik/article/895855/antibiotika-ursachen-resistenz-entwicklung.html?sh=1&h=-2066703713

2. Resistenzen im Kollektiv begegnen

Die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen und die möglichen Lösungsansätze wurden auch im Oktober wieder in zahlreichen Medien aufgegriffen:

Treffen der G7-Gesundheitsminister
Angesichts eines Treffens der Gesundheitsminister der G7-Staaten zum Thema Antibiotika-Resistenzen hat die Ärztezeitung Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe zur Umsetzung seines 10-Punkte-Plans, die neue DART-Strategie, die Verbesserung der ambulanten Antibiotika-Verordnung sowie Anreize zur Entwicklung neuer Antibiotika befragt.

Bald neue Antibiotika am Markt?
In vielen Berichten ist von der Innovationsmüdigkeit von Pharmaunternehmen in Bezug auf die Entwicklung neuer Antibiotika die Rede. Doch es gibt auch andere Beobachtungen, die vielversprechende Neuentwicklungen kommen sehen.

Ursächlich hierfür sei u.a. ein Aufruf der US-Arzneimittel-Zulassungsbehörde FDA, sodass mittlerweile Oxazolidinone, Derivate von Glycopeptiden, Diaminopyrimidine sowie neue Cephalosporine (z.B. Ceftobiprol) oder andere ganz neue Wirkstoffe inzwischen zugelassen wurden oder sich bereits in späten klinischen Studien der Phase III befinden.

Einige der neuen Substanzen seien zudem auf nosokomiale Problemkeime wie MRSA oder im Krankenhaus erworbenen Pneumokokken-Infektionen ausgerichtet. Da auch zunehmend wieder höhere Preise für Antibiotika erzielt werden, wird auch für die Zukunft von weiteren Entwicklungen ausgegangen.

Weiterführende Links:
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/arzneimittelpolitik/article/895856/groehe-exklusiv-interview-kein-staat-alleine-kann-antibiotika-resistenzen-aufhalten.html?sh=2&h=-2066703713
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/finanzen_steuern/article/896136/anlagenkolumne-endlich-scharfe-waffen-resistenzen.html?sh=1&h=-2066703713
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/arzneimittelpolitik/article/895852/antibiotika-verbrauch-immer-noch-unkontrollierter-einsatz.html

3. Lieferschwierigkeiten bei Antibiotika: Therapiealternativen?

Momentan sind bei einigen Antibiotika Lieferengpässe zu beobachten. Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) hat daher Informationen über antibiotische Therapiealternativen veröffentlicht.

Betroffen sind zurzeit vor allem Standardantibiotika aus der Klasse der ß-Lactame, die von der WHO als unentbehrliche Arzneimittel eingeschätzt werden. Die Anwender müssen daher auf andere Substanzen umschwenken. So ist beispielsweise zu beobachten, dass Engpässe beim Antibiotikum Ampicillin/Sulbactam zu einer erhöhten Nachfrage nach Flucloxacillin führten, sodass hier ebenfalls Engpässe beobachtet wurden.

Da nun in der Praxis häufig wirksame und gut verträgliche Substanzen fehlen, werden alternative Medikationen gebraucht. Hierzu hat die DGI eine Liste von Medikamenten erstellt, welche je nach Indikation alternativ eingesetzt werden können und äußert sich z.B. auch zu den Alternativen für die Behandlung von schweren Infektionen durch Staphylococcus aureus.

Weiterführende Links:
http://www.aerzteblatt.de/archiv/172377/Therapiealternativen-Wenn-Antibiotika-knapp-werden?s=antibiotika
http://www.dgi-net.de/files/Presse/PM_Antibiotika-Engpass_F.pdf

4. Neuigkeiten zum Antibiotika-Cycling

Die längerfristige Nutzung eines eingeschränkten Spektrums an antibiotischen Substanzen führt bekanntermaßen zur Ausprägung von bestimmten Bakterienresistenzen. Als mögliche Alternative wird immer mal wieder das sogenannte Antibiotika-Cycling, also der regelmäßige Wechsel zwischen verschiedenen Substanzen, diskutiert und untersucht.

Im Gegensatz zu vielen anderen Studien, in denen zwischen den Wechseln von Substanzen bzw. Substanzklassen mehrere Wochen oder Monate liegen, haben Kieler Forscher in ihrer Untersuchung wesentlich kürzere Wechselfrequenzen hinsichtlich der Resistenzentwicklungen getestet.

Eine Arbeitsgruppe um Professor Hinrich Schulenburg und Dr. Gunther Jansen untersuchte die in-vitro-Resistenzentwicklung von Pseudomonas aeruginosa, wenn zwei Antibiotikasubstanzen abwechselnd im kurzen Abstand von 12 h angewendet werden. Die Beobachtungen wurden anschließend mit den Ergebnissen der Anwendung einer Einzelsubstanz verglichen. Dabei zeigte sich laut Prof. Schulenberg beim schnellen Präparatewechsel selbst bei Unterdosierungen eine überraschend gute Wirkung.

Weiterführende Links:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/article/896724/antibiotika-resistenz-flotter-wechsel-des-praeparats-reduziert-risiko.html?sh=1&h=-501116204
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/64518/Schneller-Antibiotikawechsel-hemmt-die-Ausbildung-von-Resistenzen?s=multiresistent

5. IVOM – Topische Antibiose nicht sinnvoll

Mittlerweile werden in Deutschland jährlich hunderttausende Glaskörper-Injektionen in der Ophthalmochirurgie vorgenommen. Die Endophthalmitis ist dabei die am meisten gefürchtete Komplikation. Forscher aus Philadelphia haben nun untersucht, ob die Anwendung topischer Antibiotika zu einer Verringerung der postoperativen Endophthalmitis-Rate führt.

Hierzu wurden die Daten von 117.171 Injektionen in drei aufeinanderfolgenden Phasen über einen mehrjährigen Zeitraum ausgewertet. In der ersten Phase wurden Vancomycin- und Tobramaxin-Augentropfen eingesetzt, in der zweiten Phase wurde die verabreichte Antibiotikamenge reduziert und in der dritten Phase wurde auf eine lokale Antibiose verzichtet.

Als Ergebnis beschreiben die Studienautoren, dass die Antibiotikagabe keinen Einfluss auf die Inzidenz der Endophthalmitis hatte. Im Gegenteil tendieren die Zahlen sogar zu einem geringeren Endophthalmitis-Risiko innerhalb der antibiosefreien Phase. Daher wird von Autorenseite keine routinemäßige Antibiotikagabe bei intravitrealer Injektion empfohlen, sondern vielmehr auf die konsequente Einhaltung der Sterilität sowie die Anwendung von Povidon-Iod verwiesen.

Weiterführender Link:
http://www.aerzteblatt.de/archiv/172349/Intravitreale-Therapie-von-Augenerkrankungen-Topische-Antibiose-fuer-Infektprophylaxe-nicht-sinnvoll?s=antibiotika

6. KBV-Hygieneplan für Psychotherapeuten

Arztpraxen stehen häufig vor dem Problem, die KRINKO-Empfehlungen inhaltlich umsetzen zu müssen, obwohl diese zum Teil nicht auf die besonderen Umstände im ambulanten Gesundheitswesen ausgerichtet sind. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) greift hier unter die Arme: diesmal mit einem Hygieneleitfaden für psychotherapeutische Praxen.

Der federführend vom Kompetenzzentrum Hygiene und Medizinprodukte entwickelte Leitfaden enthält spezifische Hinweise zur Verbesserung des Infektionsschutzes für Psychotherapeuten. Für die Umsetzung von Hygienemaßnahmen sind relevante Informationen über die Basishygiene sowie Tipps zur Erstellung eines individuellen Hygieneplans beinhaltet.

Die Veröffentlichung berücksichtigt zudem die Anforderungen der Berufsgenossenschaften an den Schutz von Mitarbeitern. Die KBV weist ergänzend daraufhin, dass sich Psychotherapeuten, die auch invasive Maßnahmen durchführen, ggf. auch im allgemeinen Hygieneleitfaden für Arztpraxen der KBV informieren sollten.

Weiterführende Links:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/hygiene/article/897330/erster-leitfaden-hygieneplan-psychotherapeuten.html?sh=3&h=1161843079
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/64559/Erster-Hygieneleitfaden-fuer-psychotherapeutische-Praxen?s=hygiene
Hygiene-Leitfaden Download

7. Uniklinik Kiel – Vorbildstreben nach Ausbruch

Die Uniklinik Kiel hat den Ausbruch mit Acinetobacter baumannii von Beginn dieses Jahres aufgearbeitet und Konsequenzen aus den Ausbruchsursachen gezogen.

Als Indexpatient des Ausbruchs wurde ein Patient identifiziert, der sich den Erreger im Mittelmeerurlaub zugezogen hatte. Obwohl der Patient aufgrund der Anamnese in die MRGN-Risikogruppen nach der entsprechenden KRINKO-Empfehlung fiel, wurde keine präemptive Einzelzimmerisolierung ausgesprochen. In diesem und weiteren Punkten hat die Uniklinik Kiel nun nachgebessert.

Neben einem klaren Ablauf für den Umgang mit Risikopatienten in der Notaufnahme wurden auch die hygienischen Verfahrensanweisungen für Patientenzimmer und die Flächendesinfektion präzisiert und erweitert. Darüber hinaus hat die Uniklinik Antibiotika-Beauftragte ausbilden lassen, die nun gezielt die Indikationen und Mengen der innerhäuslichen verschriebenen Antibiotika überprüfen.

Bundesweit herrscht noch grundsätzlich ein großer Bedarf an sogenannten Antibiotic Stewards. Bedarf, Nutzen und Aufgabenfelder von solchen Antibiotika-Beauftragten werden u.a. auch durch die S3-Leitlinie des AWMF zur Anwendung von Antibiotika im Krankenhaus verdeutlicht.

Weiterführende Links:
http://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Nach-Keim-Epidemie-Uniklinik-Kiel-wird-Vorbild,antibiotika498.html
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/092-001l_S3_Antibiotika_Anwendung_im_Krankenhaus_2013-12.pdf

8. RKI-Veröffentlichung zu VRE in Deutschland

Im Epidemiologischen Bulletin Nr. 40/2015 hat das Robert-Koch-Institut ein Update zum Vorkommen von Vancomycin-Resistenzen-Enterokokken in Deutschland gegeben. Innerhalb Europas hat Deutschland vergleichsweise hohe VRE-Raten und zudem eine tendenzielle Zunahme an VRE.

Noch immer wird eine Vancomycin-Resistenz überwiegend bei Enterococcus faecium festgestellt; Vancomycin-resistente Enterococcus faecalis sind in Deutschland und Europa sehr selten. Neben der Auflistung von Resistenzraten, VRE-Häufigkeiten und weiteren Unterpunkten geht das RKI auch kurz auf die steigende Anzahl an Linezolid-resistenten E.-faecium-Isolaten ein und beschreibt, dass diese meist Glycopeptid-sensibel sind.

In einem abschließenden Ausblick ruft das RKI hinsichtlich der vergleichsweise hohen VRE-Rate in Deutschland zu einer besonderen Wachsamkeit auf. Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention arbeitet auch aufgrund der besonderen Relevanz an einer offiziellen KRINKO-Empfehlung zur Hygiene bei Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE).

9. Wussten Sie schon, dass …

… die KRINKO vor kurzem eine neue Empfehlung zur Basishygiene veröffentlicht hat?

Bisher beschreiben die KRINKO-Empfehlungen in einzelnen Veröffentlichungen vor allem die hygienischen Anforderungen an die verschiedenen Methoden der Unterbrechung von Infektketten. Schon häufiger wurden Experten zitiert, die auf eine fehlende Zusammenfassung der wesentlichen Prinzipien der Basishygiene hinwiesen.

Die KRINKO-Empfehlung zur „Infektionsprävention im Rahmen der Pflege und Behandlung von Patienten mit übertragbaren Krankheiten“ schließt nun diese Lücke.

Auch wenn die Empfehlung noch nicht auf der offiziellen RKI-Homepage auftaucht (Stand 18.11.2015), ist doch mit einer zeitnahen Veröffentlichung zu rechnen.

Weiterführender Link zur Übersichtsseite der KRINKO-Empfehlungen:
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Kommission/kommission_node.html

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