Hygiene-News November 2016
1. MRSA-Infektion: Krankenkasse erhält keinen Schadensersatz trotz Behandlungsfehler
Eine Krankenkasse verklagt ein Krankenhaus aufgrund einer Fehlbehandlung einer ihrer Versicherten auf Schadensersatz i. H. v. 14.800 € und scheitert in 2. Instanz vor dem OLG.
Im beschriebenen Fall wurde bei einer 65-jährigen, MRSA-kolonisierten Patientin eine operative Pyloroplastik durchgeführt. Bei einer notwendigen Wiederaufnahme versäumte die Klinik ein Aufnahmescreening. Erst ein verspäteter Wundabstrich erbrachte den Nachweis einer MRSA-Infektion. Trotz dieses Nachweises leitete das behandelnde Krankenhaus keine antibiotische Therapie ein und verlegte die Patientin ohne Hinweis auf den Erregernachweis in eine Rehaklinik.
Obwohl ein Sachverständiger dem Krankenhaus mehrere grobe Behandlungsfehler nachweisen konnte, entschied sich das OLG die Klage der Krankenkasse auf Schadensersatz für die entstandenen Behandlungskosten abzuweisen. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Behandlungskosten auch bei einer fehlerfreien Therapie angefallen wären und die alternativ angefallenen Kosten bei korrekter Behandlung diese in jedem Fall überstiegen hätten.
Weiterführender Link:
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/recht/article/924535/mrsa-infektion-frau-scheitert-klage-schadenersatz.html?sh=1&h=-755945652
2. Hygiene-Tipp: Dreifache Sicherheit zur Vermeidung von Ausbrüchen
Das größte unerkannte Ausbruchgeschehen verursacht durch multiresistenten Erreger in Deutschland ereignete sich von 2010 bis 2013 an der Universitätsklinik Leipzig. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene arbeitet diesen Ausbruch in einem Hygiene-Tipp auf und geht mit den Beteiligten hart ins Gericht.
Im Juli 2010 wurde in der Uniklinik Leipzig bei einem Patienten erstmals ein aus Griechenland eingeschleppter Carbapenemase-bildender (KPC-2-KP) Klebsiella pneumoniae-Stamm nachgewiesen. Einige Monate später, ab Herbst 2010, kam es zu einem gehäuften Auftreten dieses Stammes. Insgesamt wurden bis 2013 über 100 Fälle ermittelt. 40 der kolonisierten oder infizierten Patienten verstarben. Bei sieben von ihnen konnte die Infektion als Todesursache sicher diagnostiziert werden. Die verpflichtende Meldung nach IfSG erfolgte erst mit monatelanger Verzögerung im Januar 2011. Screeningmaßnahmen wurden erst zwei Jahre nach dem Auftreten des ersten Falles im Juni 2012 etabliert.
Eine solche katastrophale nosokomiale Weiterverbreitung ist nur möglich, wenn die Erregerhäufung an drei Stellen innerhalb eines Krankenhauses unerkannt bleibt. Im betrachteten Fall haben diese drei Stufen nicht ausreichend gegriffen, weil weder der Mikrobiologe, der die Laborbefunde validierte, noch die Stationsärzte, die die Befunde täglich durchsehen und entsprechende Therapien einleiten, noch die krankenhaushygienische Abteilung, die ebenfalls die mikrobiologischen Befunde täglich prüft, rechtzeitig eine kritische Häufung identifizieren konnte.
Diese dreifache Sicherheit ist im Normalfall ausreichend und sollte von allen Krankenhäusern angestrebt werden, um eine Erregeranhäufung oder ein Ausbruchsgeschehen innerhalb der Klinik zu erkennen und im Bedarfsfall intervenieren zu können.
Weiterführende Links:
http://www.krankenhaushygiene.de/informationen/hygiene-tipp/
https://www.bdc.de/hygiene-tipp-ausbruchspraevention/?parent_cat=
3. Keratoconjunctivitis epidemica: Epidemie in Bonn und Umgebung
Die Bundesstadt Bonn meldet mit bereits über 100 Fällen infektiöser Keratoconjunc-tivitis epidemica signifikant hohe Infektionszahlen. Das Gesundheitsamt Bonn geht von einer noch höheren Dunkelziffer aus.
Im Vergleich zur aktuellen Situation aus Bonn verzeichnete das RKI 2011 deutschlandweit insgesamt 674 durch Adenoviren ausgelöste „Augengrippe“-Fälle, 2012 waren es 553. Die rasche epidemische Ausbreitung bedingt sich durch die lange, symptomfreie Inkubationszeit von bis zu zwölf Tagen und der hohen Umweltstabilität und Virulenz von Adenoviren.
Weiterführende Links:
http://www.rp-online.de/leben/gesundheit/medizin/augen/augengrippe-was-sie-zu-den-faellen-in-deutschland-wissen-muessen-aid-1.6367881
http://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/adenoviren-100.html
http://www1.wdr.de/verbraucher/gesundheit/augengrippe-fakten-100.html
http://www.express.de/bonn/gesundheitsamt-alarmiert-die--augengrippe--kursiert-aktuell-in-bonn-25008306
https://www.welt.de/gesundheit/article159182711/100-Augengrippe-Faelle-beschaeftigen-Bonner-Augenaerzte.html
4. H5N8 erreicht nun auch Schleswig-Holstein
Der Erreger der sog. „Vogelgrippe“ H5N8 aus Asien hat Europa und somit auch Deutschland erreicht. Bestätigte Fälle gibt es bereits aus Baden-Württemberg. Die Untersuchungen zur Verendungsursache von mehr als 100 Wasservögeln in Schleswig-Holstein dauern derzeit noch an. H5N8 ist zwar für den Menschen ungefährlich, jedoch drohen den Geflügelmastbetrieben immense wirtschaftliche Schäden.
Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) machte bereits im Frühjahr dieses Jahres auf das Risiko der Weiterverbreitung durch Zugvögel aufmerksam. Schleswig-Holstein und auch die Region Bodensee haben bereits eine Stallpflicht für Geflügel erlassen. Zudem gelten strenge Hygiene-Regeln. Der Handel sowie ein Geflügelschauen sind untersagt. Die Nutztierbestände müssen trotz Bestallung regelmäßig veterinärmedizinisch untersucht und beprobt werden.
Die Experten des FLI sehen das Risiko einer Ansteckung von Nutzgeflügel als sehr hoch und fordern eindringlich den direkten und indirekten Kontakt zwischen Wild- und Nutzvögeln zu unterbinden. Hier appelliert die Politik auch an die Jäger: In den betroffenen Gebieten sollte auf die Jagd verzichtet werden, um ein Aufscheuchen der Tiere und eine dadurch bedingte weitere Virusausbreitung zu verhindern.
Weiterführende Links:
http://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/h5n8-vogelgrippe-epidemie-breitet-sich-aus-14521091.html
http://www.brennpunkt-hygiene.de/2016/11/h5n8-vogelgrippewelle-im-anmarsch/
5. Carbapenemasebildende Enterobakterien in Europa weit verbreitet
Eine Studie des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) untersuchte insgesamt 2.703 Proben aus 36 Ländern auf das Vorkommen carbapenemasebildender Erreger.
Die Ergebnisse zeigen, dass 71 Prozent der untersuchten Klebsiella pneumoniae Isolate Carbapenemasen bilden. Bei den E. coli Isolaten zeigten 40 Prozent einen auf andere Bakterienarten übertragbaren Resistenzmechanismus. Viele der carbapenemasebildenden Stämme zeigten zudem Resistenzen gegen Reserveantibiotika wie Colistin.
Das Vorkommen dieser multiresistenten Stämme in Europa ist unterschiedlich verteilt. In Deutschland zeigten 0,5 von 10.000 Patienten eine Kolonisierung oder Infektion mit resistenten Keimen. In einigen Mittelmeerländern und auf dem Balkan war die Prävalenz zehnmal so hoch.
Weiterführender Link:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/mre/article/924120/krankenhaus-studie-multiresistente-enterobakterien-weit-verbreitet.html?sh=1&h=1723201879
6. Ärzte reflektieren Auswirkung der Antibiotikaresistenzen
Die Ärztezeitung befragte Mediziner aus vier Fachdisziplinen zur aktuell hochpolitisch diskutierten Thematik der Antibiotikaresistenzen und Konsequenz für ihre praktische Arbeit.
Das vollständige Interview gibt es als Video unter http://tinyurl.com/zcmz6kj. Dort stehen auch die Interviews zu den gleichen Fragen mit Kollegen aus Innerer Medizin, Pädiatrie und HNO-Heilkunde.
Weiterführender Link:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/erkaeltungskrankheiten/article/922577/antibiotika-resistenzen-allgemeinmediziner-leider-schlusslicht.html?sh=7&h=573118883
7. Elimination von Masern und Röteln in weiter Ferne
Die Nationale Kommission zur Verifizierung der Masern- und Röteln-Elimination am RKI veröffentlicht aktuellen Stand der Masern- und Röteln-Inzidenz in Deutschland.
Das bereits 1998 in der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) beschlossene und 2011 betätigte Ziel zur Masernelimination in Deutschland bis 2015 konnte nicht erreicht werden. Der aktuelle Stand zur Elimination zeigt, dass Deutschland von einer Elimination so weit entfernt ist, wie schon lange nicht mehr.
Der bereits seit 2012 bestehende Nationale Impfplan wurde bereits 2014/2015 konkretisiert und um einen nationalen Aktionsplan 2015-2020 erweitert. Dieser nimmt eine aktuelle Bestandsaufnahme vor und erneuert die strategischen und operativen Ziele und notwendige Maßnahmen zur Erreichung des Eliminationsziels.
Weiterführende Links:
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Praevention/elimination_04.html
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2016/46/Tabelle.html
8. Trotz fallender Antibiotikaverordnungen große Wissenslücken in der Bevölkerung
Eine Erhebung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände zeigt, dass die Anzahl der Antibiotikaverordnungen an gesetzlich Krankenversicherte (GKV) in Deutschland im Vergleich zu 2015 um 17 Prozent gefallen ist. Waren es damals noch ca. 710 Packungen/ 1.000 Versicherte, wurden 2015 nur noch 590 Packungen/ 1.000 Versicherte verordnet.
In der Erhebung nicht berücksichtigt wurden Antibiotikaverordnungen durch Zahnärzte und die Antibiotikaabgaben in Krankenhäusern sowie an privatversicherte Personen.
Das Ziel der 2008 beschlossenen Antibiotikaresistenzstrategie des Bundes ist, den An-tibiotikaverbrauch und die Resistenzentwicklung in Human- und Tiermedizin sowie in der Landwirtschaft zu kontrollieren. Eine aktuelle Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zeigt jedoch, dass die Mehrzahl der Verbraucher nicht ausreichend über die Wirkungsspektren und Grenzen der Antibiotikatherapie informiert ist. 60 Prozent der Befragten sind der Annahme, dass Antibiotika auch viruswirksam sind. 18 Prozent der Befragten aus dieser Gruppe gehen sogar davon aus, dass Antibiotika ausschließlich gegen Viren wirken.
Die BZgA hat anlässlich des Europäischen Antibiotikatages ein Merkblatt herausgebracht, um die Informationslücken in der Bevölkerung zu schließen. Allgemeinverständlich erklärt dies die Entstehung von Antibiotikaresistenzen und die daraus resultierenden Probleme. Auch liefert es Hinweise zur korrekten Antibiotikaeinnahme.
Weiterführende Links:
http://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=17&typ=1&nid=71490&s=antibiotika
http://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=17&typ=16&aid=183975&s=antibiotika
Im Artikel des Ärzteblatts wird fälschlicherweise berichtet, dass eine Antibiotikaeinnahme bei viralen Infekten das Risiko erhöhe, dass der Patient selbst eine Resistenz gegen Antibiotika entwickeln könne. Wir möchten daher darauf hinweisen, dass die Entwicklung oder der Erwerb einer Antibiotikaresistenz durch einen Menschen nicht möglich ist.
9. Wussten Sie schon, dass …
… in Plastikbeuteln verzehrfertig abgepackter Salat eine hohe Belastung mit virulenten Salmonellen und E. coli aufweist?
Eine Untersuchung der Universität in Leicester hat ergeben, dass besonders Salate, die Spinat und Rucola enthalten, eine hohe Keimzahl an Salmonellen und E. coli aufweisen, die sich bereits bei einer Lagerung über 5 Tage um die minimale Infektionsdosis vermehrt hatten. Ebenfalls wurden in der genetischen Sequenzierung hochvirulente Stämme nachgewiesen.
Die Forscher sehen die Verpackung als ursächlich für die Persistenz und rasche Vermehrung der Erreger. Das durch das Plastik bedingte feuchte Milieu, in Kombination mit den austretenden Proteinen, Zucker und Mineralstoffen aus den vorgeschnittenen Blättern, bietet selbst bei Lagerung im Kühlschrank einen idealen Nährboden.
Die Autoren halten abgepackten Salat dennoch nicht für gesundheitsgefährdend, sofern er am selben Tag verzehrt wird und Verpackungen mit matschigen Blättern oder aufgeblähte Beutel gemieden werden.
Weiterführender Link:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/magen-darminfekte/article/924292/keime-salmonellen-lieben-salat-tueten.html?sh=3&h=-885884062
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