HygSo-Hygienenews Mai 2024
1. Hygiene-Tipp: Hygiene ist Chefsache
Meist sind Hygienefehler auf personelles Fehlversagen zurückzuführen. Für die Umsetzung ist entscheidend, dass Chefärzte (m/w/d) und Praxisinhaber die geltenden Regeln selbst anwenden und Ihrer Vorbildfunktion gerecht werden.
Dies betrifft in erster Linie die indikationsgerechte und regelmäßige Händehygiene, insbesondere die Händedesinfektion. Bei Visiten müssen die Hände zwischen den Patientenkontakten desinfiziert werden, ebenso nach dem letzten Patienten. Dies gilt auch für den Verbandwechsel: Vor Beginn und nach Abschluss muss eine hygienische Händedesinfektion erfolgen, und der Verbandwechsel sollte nur mit kurzärmeliger Kleidung durchgeführt werden, daher ist der Arztkittel vorher abzulegen.
Ebenso wichtig ist die persönliche Schutzausrüstung in Isolierzimmern: Wenn Führungskräfte bei der Visite unzureichend gekleidet in das Zimmer gehen („wir sind ja nur kurz drin und fassen niemanden an“), werden Studenten und Assistenzärzte dieses Verhalten nachahmen. Besonders hinsichtlich der Hygiene in Patienten- und Untersuchungszimmern ist zu beachten, dass Patienten solche Vorgänge beobachten und zunehmend kompetenter werden.
Weiterführender Link:
https://www.bdc.de/hygiene-tipp-hygiene-ist-chefsache/?parent_cat=252
2. Hygiene-Tipp: kein Nagellack bei Patienten im OP
Kann das Entfernen von Nagellack für den Patienten zu einem Schutz vor einer Wundinfektion sinnvoll sein?
Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) weist darauf hin, dass Patienten ohne Nagellack und ohne künstliche Nägel zur Operation erscheinen. Die Transparenz der Fingernägel wird benötigt, um die Diagnose eines Sauerstoffmangels stellen zu können.
Oftmals sind bei Operationen die Hände und Füße des Patienten steril abgedeckt und sind deshalb nicht als Infektionsquelle einzuordnen. Jedoch sind Patienten darauf hinzuweisen, dass Nagellack vorher zu entfernen ist, wenn die Füße nicht abgedeckt werden können, z.B. bei einer Operation am Vorfuß oder den Zehen, da hier nicht steril abgedeckt werden kann. Auch medizinischer Nagellack ist im Sinne der Infektionsprävention zu entfernen.
Weiterführender Link:
https://www.bdc.de/hygiene-tipp-nagellack-vor-operationen/?parent_cat=252
3. Händedesinfektion: Einfluss von Einmalhandschuhen
Aus dem Epidemiologischen Bulletin des RKI: Einmalhandschuhe sind in allen Bereichen der Patientenversorgung zu finden. Sie dienen dem Schutz des Personals vor potenziell infektiösem Material. Die Händedesinfektion ist essenziell, wenn es um die Sicherheit der Patienten geht und das Risiko von nosokomialen Infektionen reduzieren kann. Während der SARS-CoV-2 Pandemie konnte ein Anstieg der nosokomialen Infektionen weltweit beobachtet werden. Als Ursache wird die universelle Verwendung von Einmalhandschuhen vermutet. Das kontinuierliche Tragen von Einmalhandschuhen stellt eine Barriere zur Umsetzung der medizinischen Händedesinfektion dar.
Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) empfiehlt das Umsetzen der Händedesinfektion zu den 5 Momenten (Modell der WHO). Der Gebrauch von Einmalhandschuhen wird in den Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) festgehalten. Hierbei gibt es eine Korrespondenz, sodass unmittelbar vor dem Anlegen der Handschuhe oftmals eine Händedesinfektion durchzuführen ist.
Eine Desinfektion der behandschuhten Hände kann in bestimmten Situationen hilfreich sein. Dabei müssen jedoch die Chemikalienbeständigkeit und die Produktinformationen der Handschuhe beachtet werden (KRINKO 2016). KRINKO und TRBA 250 empfehlen übereinstimmend eine Händedesinfektion nach dem Ausziehen der Handschuhe, da es zu einer unbemerkten Kontamination der Hände, beispielsweise durch (Mikro-)Perforationen oder beim Ausziehen der Handschuhe, kommen kann. Die Verwendung von medizinischen Einmalhandschuhen kann daher sogar die Anzahl der notwendigen hygienischen Händedesinfektionen erhöhen.
Durch Perforation medizinischer Einmalhandschuhe wird nicht nur die Kontamination der tragenden Person begünstigt, sondern auch umgekehrt, die Infektion der Patienten durch das medizinische Personal. Deshalb ist eine Händedesinfektion vor dem Anlegen der Handschuhe notwendig.
Aktuelle Daten aus dem HAND-KISS Modul des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS) zeigen, dass in 26% der Fälle, in denen eine Händedesinfektion indiziert war, diese nicht durchgeführt wurde. Stattdessen wurden bei 12% der Indikationen Handschuhe getragen. Dies bedeutet, dass bei 45% der nicht durchgeführten Händedesinfektionen medizinische Einmalhandschuhe verwendet wurden. Dieser Wert variiert nur geringfügig zwischen Intensivstationen (49%), Intermediate Care/Wachstationen (47%) und Normalstationen (43%). Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede bei den verschiedenen Indikationen für die Händedesinfektion.
Die bestmögliche Durchführung der hygienischen Händedesinfektion ist entscheidend für die Sicherheit der Patienten, da sie wesentlich zur Reduktion von Übertragungen und nosokomialen Infektionen beiträgt. Der Einsatz von Handschuhen hat jedoch einen erheblich negativen Einfluss auf die Einhaltung der hygienischen Händedesinfektion. Besonders problematisch ist die unnötige und nicht indizierte Verwendung von Handschuhen in der Patientenversorgung. Zudem ist die korrekte Anwendung von Handschuhen nicht nur für die Sicherheit und Gesundheit der Patienten, sondern auch für das medizinische Personal von großer Bedeutung. Bisher gibt es nur wenige Studien, die explizit die Auswirkungen von Handschuhen auf die Adhärenz zur Händedesinfektion im Hinblick auf die Patientensicherheit untersuchen. Künftige Analysen sollten diesen Zusammenhang genauer betrachten und Strategien zur Verbesserung der indikationsgerechten Verwendung von Handschuhen entwickeln.
Weiterführender Link:
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2024/Ausgaben/19_24.pdf?__blob=publicationFile
4. Außerklinische Intensivpflege und hygienische Aspekte
Aus dem Epidemiologischen Bulletin des RKI: In Deutschland werden 15.000 bis 30.000 Menschen durch außerklinische Intensivpflege (AIP) versorgt. Gesundheitsämter berichten von hygienischen Mängeln und einer hohen Prävalenz multiresistenter Erreger (MRE). Über diese regionalen Berichte hinaus gibt es jedoch wenige Informationen.
Sechs Online-Umfragen unter Fachzeitschriftenlesern, insbesondere Intensivpflegepersonal, bestätigten diese Mängel. Es fehlt oft an hygienischen Strukturen und Fachwissen. Der flächendeckende Einsatz qualifizierter Hygienebeauftragter in Intensivpflegediensten sollte gefördert werden, um die Versorgungssituation zu verbessern.
Im Zeitraum Juli 2018 bis November 2019 wurden sechs Übersichtsartikel zu Hygienethemen in Fachzeitschriften für die außerklinische Intensivpflege (AIP) veröffentlicht. Diese Artikel behandelten die Themen:
- Aufbereitung von Trachealkanülen
- Infektionshygienische Überwachung der ambulanten Pflege
- Hygienisches endotracheales Absaugen
- Hygiene in Intensiv-WGs am Beispiel des Steckbeckens
- Vorbeugung von Harnwegsinfektionen in der AIP
- Wäschehygiene
Die Artikel basierten auf dem Hygiene-Tipp des Monats der DGKH und vermittelten gesetzliche und fachliche Grundlagen der Hygiene. Zielgruppen waren Pflegekräfte, andere Heilberufe sowie Klientinnen/Klienten und deren Angehörige. Themen wurden in Zusammenarbeit mit hygienebeauftragten Pflegekräften der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für außerklinische Beatmung (DIGAB) gewählt.
Es sei dringend notwendig, eine interdisziplinäre Diskussion über angemessene Hygienemaßnahmen zu führen, die die Besonderheiten der außerklinischen Intensivpflege (AIP) berücksichtigen. Die Rahmenempfehlungen gemäß §132l Abs.1 SGBV von 2023 enthalten einige hygienerelevante Punkte, die in Umfragen bereits thematisiert wurden. Auch die KRINKO-Empfehlungen der letzten Jahre beinhalten Hygieneempfehlungen für die AIP, die jedoch noch nicht ausreichend spezifisch auf die Besonderheiten der AIP eingehen. Bei zukünftigen Aktualisierungen der KRINKO-Empfehlungen für Langzeitpflegeeinrichtungen sollten diese spezifischen Probleme der AIP berücksichtigt werden.
Um die Umsetzung von Hygienevorgaben in der AIP zu verbessern, sollten in jeder Intensiv-WG flächendeckend Hygienebeauftragte Pflegekräfte eingesetzt werden. Zudem würde die regelmäßige Beratung durch externes Hygienefachpersonal die Infektionsprävention für Patienten und Personal verbessern.
Weiterführender Link:
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2024/Ausgaben/16_24.pdf?__blob=publicationFile
5. Weaningversagen: häufiger bei Besiedlung mit MRE
Weist ein Patient eine Besiedlung mit MRE auf, kommt es signifikant häufiger zu einem Weaningversagen.
Im klinischen Alltag kommt es bei Patienten mit prolongiertem Weaning häufig zu einer Kolonisation oder Infektion mit multiresistenten Erregern (MRE). Forschende um Gassmann analysierten retrospektiv 206 Patienten im Heidelberger Weaningzentrum. 70,9% der Patienten konnten erfolgreich entwöhnt werden. MRE wurden bei 44% der Patienten nachgewiesen, wobei eine MRE-Besiedlung signifikant häufiger mit Weaningversagen verbunden war (38,5% vs. 21,7%, p = 0,031).
Die Analyse zeigte, dass MRE-Besiedlung ein unabhängiger Risikofaktor für Weaningversagen (OR 2,3; p = 0,014) und den Tod im Weaningzentrum ist (OR 3,47; p = 0,026). Weitere Risikofaktoren waren männliches Geschlecht, der Carlson Comorbidity Index, der pH-Wert und die Beatmungszeit vor der Verlegung. Die Forschenden empfehlen daher verstärkte antiinfektive Strategien und Antibiotic Stewardship auf Intensiv- und Weaningstationen, um die Prognose zu verbessern.
Weiterführender Link:
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/150431/Weaningversagen-bei-Besiedlung-mit-multiresistenten-Erregern-haeufiger
6. Nosokomiale Infektionen: Anwendung von Antibiotika
Punktprävalenzerhebungen (point prevalence surveys, PPS) sind ein geeignetes Mittel, um einen Überblick über die Häufigkeit von nosokomialen Infektionen zu bekommen. Verglichen wurden Daten aus dem Jahr 2022 mit älteren Daten.
In Deutschland fand erstmals 1994 eine nationale PPS zu nosokomialen Infektionen und zur Antibiotikaanwendung (ABA) statt. Auf Initiative des ECDC wurde 2022 erneut eine PPS zu NI und ABA in Deutschland durchgeführt, organisiert vom Nationalen Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen (NRZ). Das Ziel der PPS 2022 war es, die Prävalenz von nosokomialen Infektionen und ABA in deutschen Krankenhäusern, die häufigsten nosokomialen Infektionen und verwendeten Antibiotika sowie krankenhaushygienische Struktur- und Prozessparameter zu ermitteln.
Die teilnehmenden Länder wurden vom ECDC aufgefordert, eine repräsentative Gruppe von Krankenhäusern auszuwählen (das sogenannte ECDC-Sample). Für Deutschland wurde in Absprache mit dem ECDC und dem NRZ eine Anzahl von 50 Krankenhäusern festgelegt.
Die teilnehmenden Länder konnten zwischen zwei Ansätzen für die Datenerhebung wählen: der patientenbasierten Methode („full protocol“) und der stationsbasierten Methode („light protocol“). Das NRZ entschied sich für die stationsbasierte Methode, um den Dokumentationsaufwand für die Krankenhäuser zu minimieren. Nur demografische Daten und Risikofaktoren von Patienten mit aktiver NI oder ABA mussten erfasst werden. In Deutschland wurden von Mai bis Juli 2022 alle bettenführenden Stationen eines Krankenhauses an einem Tag vollständig erfasst. Patienten, die sowohl um 8 Uhr morgens als auch zum Erhebungszeitpunkt anwesend waren, wurden auf NI und ABA geprüft. Krankenhäuser mit methodischen Fehlern oder unzureichender Bettenabdeckung wurden ausgeschlossen.
An der PPS 2022 nahmen 262 Krankenhäuser teil. Aufgrund von Erhebungsfehlern wurden die Datensätze von zehn Krankenhäusern ausgeschlossen, sodass der finale Datensatz 252 Krankenhäuser mit 66.586 beobachteten Patientinnen und Patienten umfasste. Von diesen Krankenhäusern gaben 29 (11,5%) an, eine Maximalversorgung anzubieten, darunter sieben Universitätskliniken. Das ECDC-Sample bestand aus Daten von 50 Krankenhäusern und 8.857 Patientinnen und Patienten. Die Kerngruppe umfasste 93 Krankenhäuser und 31.132 Patientinnen und Patienten.
Im ECDC-Sample war die mediane Bettenzahl deutlich geringer als in den anderen Gruppen. Die mediane Liegedauer nahm in allen Gruppen im Laufe der Zeit ab. Der Verbrauch von alkoholischen Händedesinfektionsmitteln, gemessen in Millilitern pro Patiententag, und die Anzahl der Blutkulturen pro 1.000 Patiententage stiegen in allen Gruppen signifikant an. Die Anzahl der Stuhluntersuchungen auf Clostridioides difficile-Infektionen nahm im Laufe der Zeit sowohl in der Gruppe aller Krankenhäuser als auch in der Kerngruppe ab. Die Ausstattung mit Hygienefachpersonal (Hygienefachkräfte und Krankenhaushygieniker) verbesserte sich in allen Gruppen über die Zeit hinweg.
Weiterführender Link:
https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=1041&typ=16&aid=238678&s=hygiene
7. In eigener Sache: unsere Hygieneschulungen und -seminare
Möchten Sie noch dieses Jahr Ihr hygienebeauftragtes Personal ausbilden? Wir bieten verschiedene Schulungen für die Aus- oder Weiterbildung von Hygienemultiplikatoren in unterschiedlichen Positionen im Online-Format an.
Die nächsten Termine der kommenden Kurse:
- Fachkraft für Hygienesicherung nach DIN 13063 (Link); drei Tage; nächste Kurse am 24.-26.06.2024 sowie am 29.-31.10.2024
- Fortbildung zur/m Hygienebeauftragten in stationärer und ambulanter Pflege (Link); insgesamt 48 Unterrichtseinheiten; nächster Kurs startet am 29.10.2024
- Refreshertage für Hygienebeauftragten in stationärer und ambulanter Pflege (Link); zwei Tage; nächster Kurs am 03.-04.09.2024
Hier finden Sie unser gesamtes Seminarangebot: hygso.de/hygieneschulungen
Bitte beachten Sie, dass diese Informationen eine individuelle Beratung nicht ersetzen können!
Eventuelle Änderungen, die nach Ausarbeitung erfolgen, werden erst in der nächsten Ausgabe berücksichtigt. Trotz sorgfältiger und gewissenhafter Bearbeitung aller Beiträge übernehmen wir keine Haftung für den Inhalt.
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