Hygiene-News Mai 2017
1. Händehygiene in Zeiten von Personalmangel und Zeitdruck
Für Hygienefachpersonal sind niedrige Compliance-Raten bei der Händedesinfektion nichts Neues. Anlässlich des Händehygienetags äußern sich nun verschiedene Institutionen und reflektieren Ursachen und Verbesserungsansätze.
Die Sprecherin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) benennt Zeitmangel als ursächlich für die mangelnde Compliance in der Umsetzung der Händehygiene. Der DBfK fordert daher einen an den tatsächlichen Pflegebedarf angepassten Personalschlüssel um eine effektive Händehygiene zu gewährleisten. Die für eine adäquate Händedesinfektion erforderlichen 30 Sek. Einwirkzeit stünden den Pflegenden in der Praxis nicht zur Verfügung.
Diese Befürchtung spiegelt sich in den Ergebnissen einer Umfrage der Techniker-Krankenkasse Hessen wieder. Derzeit sind 93 der 167 hessischen Kliniken bei der „Aktion Saubere Hände“ angemeldet. Nur 34 dieser Krankenhäuser konnten aber auch belegen, dass sie das Projekt mit Leben füllen.
Fraglich ist allerdings, ob die im Kontext des Artikels beschriebenen Maßnahmen (Erhöhung des Pflege-Personalschlüssels; Einführung einer gesetzlichen Screening-Pflicht) tatsächlich sinnvoll sind oder zeitnah spürbaren Nutzen bringen können. Wenn schon knappe Ressourcen vorliegen, sollten diese gezielter verteilt werden und u.a. auch das hinsichtlich der Compliance schwächere Ärztepersonal einschließen.
Weiterführender Link:
https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=17&typ=1&nid=74520&s=hygiene
2. Zusätzliches Präventionspotenzial durch Einbindung der Patienten?
Der diesjährige Internationale Tag der Händehygiene beschäftigte sich intensiv mit Möglichkeiten zur Steigerung der Compliance zur Händedesinfektion und somit auch der Verhütung nosokomialer Infektionen und der Vermeidung der Weiterverbreitung antibiotikaresistenter Keime. In diesem Jahr lag der Fokus auf einer aktiven Zusammenarbeit zwischen Patienten, Angehörigen und dem medizinischen Personal.
Das Epidemiologische Bulletin (18/19 2017) legt seinen Schwerpunkt auf das zusätzliche Präventionspotenzial, welches durch eine aktive Einbindung von Patienten, Pflegebedürftigen und Besuchern in die Maßnahmen der Händehygiene zu erwarten ist. Ebenso bietet es eine Reihe von Möglichkeiten der praktischen Umsetzung, wie beispielsweise der Musterpräsentation zur Händehygiene, die die 2016 aktualisierte KRINKO-Empfehlung „Händehygiene in Einrichtungen des Gesundheitswesens“ aufgreift.
Vom neu eingeführten Wirkungsbereich für Händedesinfektionsmittel „begrenzt viruzid plus“ verspricht sich das RKI ebenfalls eine Verbesserung der Händehygiene. Standen in der Vergangenheit nur begrenzt wirksame Produkte mit geprüfter Hautverträglichkeit zur Inaktivierung von Adeno-, Noro- und Rotaviren zur Verfügung, erwartet das RKI nun, dass die Auswahl an wirksamen Produkten mit besserer Verträglichkeit zunehmen wird. Auf diese Weise erhofft man sich eine höhere Bereitschaft der Anwender zur hygienischen Händedesinfektion.
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDV) sowie der Berufsverband Deutscher Hygieniker fordern eine Einbindung der Patienten über ihre persönliche Hygiene und dem Dialog mit medizinischem Personal hinaus („Speak-up“ Kampagnen). Sie richten eine Forderung an die Regierungen der Länder und sprechen sich für eine gesetzlich verankerte regelhafte Mitgliedschaft von Patientenvertretern in der Hygienekommission aus.
Dr. Peter Walger, Sprecher des Vorstands der DGKH, spricht sich in einem 5-Fragen-Interview zudem gegen verdeckte Beobachtungen des Personals aus und setzt stattdessen weiterhin auf Information, offene Beobachtung und Kommunikation in Form von Feedbacks zur nachhaltigen Verhaltensänderung, wie sie auch im Konzept der „Aktion saubere Hände“ vorgesehen sind.
Weiterführende Links:
https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=17&typ=1&nid=74531&s=hygiene
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2017/18_19/Tabelle.html
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Kommission/Ergaenzende_Informationen/Muster_Haendehygiene.htm
3. Ausbruch an Uniklinik Frankfurt: Intensivstation wieder freigegeben
Das Uniklinikum Frankfurt hat am 17.05.2017 in einer Pressemitteilung den Ausbruch mit 4-MRGN Klebsiella pneumoniae für beendet erklärt und die Intensivstation nach erfolgreichen Desinfektionsmaßnahmen in Absprache mit dem Gesundheitsamt wieder in Betrieb genommen.
Von den anfänglich fünf besiedelten Patienten sind drei verstorben – laut Pressemitteilung des Klinikums jedoch nicht an den Folgen der Besiedelung, sondern aufgrund der Schwere ihrer Grunderkrankungen. Die zwei weiteren kolonisierten Patienten werden weiterhin intensivmedizinisch behandelt.
Prof. Dr. Martin Exner, der den Ausbruch als Gutachter begleitet hat, sieht weder Personalmangel noch Raumnot als ursächlich für die nosokomiale Ausbreitung des Keims. Laut Herrn Dr. Kai Zacharowski, Direktor der Intensivmedizin wurde der Indexpatient von Anfang an im Einzelzimmer isoliert. Zu klären ist laut Prof. Exner nun, wo der Ausgangspatient mit dem Keim in Kontakt kam und ob es sich um eine gegenüber Desinfektionsmittel besonders widerstandsfähige Form von Klebsiella pneumoniae handele.
Bei chronologischer Betrachtung der Presseberichte fällt auf, dass die ersten gezielten Desinfektionsmaßnahmen mit einem bakteriziden Präparat nicht zu einer nachhaltigen Beseitigung des Klebsiellen-Stammes führten. Erst der Einsatz eines Sauerstoffabspalters zeigte den gewünschten Erfolg. Dies deutet auf eine hohe Umweltstabilität des Erregers sowie dessen enorme Anpassungsfähigkeit hin. Als Konsequenz für die Praxis ließe sich daraus ableiten, dass gerade bei Häufungen gramnegativer Bakterien ggf. Flächendesinfektionsmittel mit breiterem Wirkungsspektrum eingesetzt werden sollten.
Weiterführende Links:
https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=17&typ=1&nid=74506&s=hygiene
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/klinikmanagement/article/935022/klebsiella-besiedlung-uniklinik-frankfurt-gibt-entwarnung.html?sh=1&h=-313451520
https://www.aerzteblatt.de/treffer?mode=s&wo=17&typ=1&nid=75793&s=mrgn
4. 4MRGN: Niedrigere Mortalitätsrate durch Kombitherapie?
Infektionen mit 3MRGN gelten in der Regel mit Carbapenemen als gut beherrschbar. Zunehmend zeigen sich jedoch Enterobakterien, die Carbapenem-Resistenzen aufweisen. Da noch einige wirksame Antibiotika zur Verfügung stehen und die Erreger gegenüber manchen Carbapenemen empfindlich sind stellt sich die Frage einer Kombinationstherapie.
In einer aktuellen multizentrischen Studie wurden retrospektiv die Effekte verschiedener Therapiekonzepte auf die Mortalitätsrate untersucht, mit dem Ergebnis, dass eine zielgerichtete, zeitnah eingeleitete Kombitherapie im Vergleich zur Monotherapie bei Hochrisikopatienten zu einer niedrigeren Mortalitätsrate führte. Bei Niedrigrisikopatienten konnte dieser Effekt jedoch nicht beobachtet werden.
Laut PD Dr. A. Hamprecht, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, Uniklinik Köln, kann anhand der vorliegenden Daten keine Empfehlung zu Medikamentenkombinationen bei Hochrisikopatienten gegeben werden. Patienten mit unkomplizierten Infektionen sollten weiterhin eine Monotherapie erhalten.
In vitro zeigten Ceftazidim-Avibactam-Kombination eine gute Wirksamkeit gegen die in Deutschland vorherrschende OXA-48-Beta-Laktamasen (OXA-48) ebenso wie Klebsiella pneumoniae-Carbapenemasen (KPC). Eine Erweiterung des Therapiespektrums ist darüber hinaus unter Umständen durch neue Avibactam-Kombinationen zu erwarten.
Weiterführender Link:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/mre/article/934808/multiresistente-keime-4mrgn-mono-kombitherapie.html?sh=2&h=1161843079
5. Masern-Infektionszahlen deutlich über den geforderten Zielen
Derzeit werden in NRW viele Maserninfektionen, v.a. im Ruhrgebiet gemeldet. Im laufenden 1. Halbjahr 2017 sind es bereits 408 Fälle (Datenstand 23.05.2017). Auch über eine tödlich verlaufene Maserninfektion einer 37- Jährigen Patientin aus Essen wurde berichtet.
Seit Einführung der Meldepflicht im Jahr 2001 ging zunächst auch die Zahl der jährlich an das RKI übermittelten Masernfälle aus den Bundesländern erheblich zurück. Seit 2005 beobachtet das RKI einen Anstieg, besonders bei den an Masern erkrankten Patienten >10 Jahre. Ein Absinken der übermittelten Fallzahlen ist derzeit nicht zu beobachten. Das RKI geht sogar von einer höheren Dunkelziffer an nicht ärztlich behandelten oder auch behandelten, jedoch nicht gemeldeten Maserninfektionen aus.
Diese hohen Erkrankungszahlen liegen deutlich über den von der WHO geforderten Eliminationszielen. Dies erklärt auch die hohe Inzidenz bei Kindern unter einem Jahr und einjährigen Kindern, die aufgrund ihres Alters nicht geimpft werden können oder später als von der STIKO empfohlen geimpft werden. Diese würden vom sog. Herdenschutz in ihrer Umgebung, der durch eine hohe Impfquote bedingt ist, profitieren.
Grundsätzlich empfiehlt es sich, insbesondere bei beruflicher Tätigkeit im Gesundheitswesen und/oder Kontakt zu immunsupprimierten Personen jeden Arztkontakt zur Überprüfung und ggf. Ergänzung des eigenen Impfschutzes zu nutzen.
Weiterführender Link:
https://www.lzg.nrw.de/
http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Masern.html;jsessionid=C70213B0A7C8E628D30F89063D7218BC.2_cid290
6. Wussten Sie schon, dass …
…die bakterielle Keimbelastung auf Sitzbänken im Taxi höher als in Bus und Bahn ist?
Das Berliner Wäscheunternehmen ZipJet veranlasste im Rahmen seiner Erhebung für den Dirty Cities Index Abstrichuntersuchungen in öffentlichen Verkehrsmitteln europäischer Metropolen.
In London und Berlin zeigten Taxisitze eine deutlich höhere bakterielle Kontamination als die übrigen untersuchten Verkehrsmittel. In Berlin und Paris konnten zudem in allen untersuchten Verkehrsmitteln hohe Konzentrationen an Enterokokken und anderen Enterobakterien nachgewiesen werden.
Laut Prof. Dr. med. Constanze Wendt von der Limbach Analytics GmbH ist die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln dennoch unbedenklich. Die Fachärztin für Hygiene empfiehlt eine gründliche Händewaschung nach der Fahrt, sowie eine wöchentliche Reinigung der Kleidung, um ein Anhäufen von Bakterien zu verhindern.
Weiterführender Link:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/hygiene/article/935574/bakterien-taxis-staerksten-keimbelastet.html?sh=1&h=1161843079
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