Hygiene-News Juni 2015

1. Neue Studie: Künftig mehr Tote durch multiresistente Erreger

Für Deutschland beziffert das Bundesgesundheitsministerium von jährlich 400.000 bis 600.000 nosokomialen Infektionen und bis zu 15.000 Toten aus. Einem beträchtlichen Teil lägen multiresistente Erreger zugrunde. Aus einer Forschungsanalyse geht nun hervor, dass ohne einschneidende Veränderungen die Zahl der Toten durch multiresistente Erreger deutlich zunehmen wird.

Bis zum Jahr 2050 sei eine Steigerung um den Faktor 10 zu erwarten, wenn keinerlei Gegenmaßnahmen getroffen werden. Letztlich würden, so die Autoren, dann mehr Menschen an multiresistenten Keimen sterben als an Krebs.

Als interessante Information wird noch erwähnt, dass rund ein Drittel aller Krankenversicherten jährlich ein Antibiotikum verschrieben bekommt. Die WHO will zur Prävention multiresistenter Erreger ein weltweites Aktionsprogramm starten.

Weiterführender Link:
http://www.berliner-zeitung.de/wissen/studie-warnt--mehr-tote-durch-multiresistente-keime,10808894,30850400.html

2. G-7-Präsidentschaft: Auswirkungen auf Antibiotika und Hygiene

Im Zuge der Übernahme der G-7-Präsidentschaft durch Deutschland könnten die Themen Antibiotika und Hygiene erneut von politischer und gesetzlicher Seite angegangen werden. Die FAZ beschreibt anschaulich Tendenzen und Ideen, die in den nächsten Monaten und Jahren die Zahl nosokomialer Infektionen reduzieren sollen.

Hier nur ein kleiner Auszug:
Fachleuten ist bekannt, dass Antibiotika (vor allem im ambulanten Gesundheitswesen) häufig ohne Not verabreicht werden und dass Bakterien, in Folge des übermäßigen Gebrauchs, eine gewisse Widerstandskraft gegen die Wirkstoffe entwickeln. Eine „post-antibiotische Ära“ soll unbedingt verhindert werden, sodass sich künftig innerhalb Deutschlands gleich drei politische Bereiche im Hinblick auf Antibiotikaresistenzen verzahnen sollen: Gesundheit, Landwirtschaft und Forschung.

Als zentrale Maßnahmen stehen im Raum, Krankenhäuser in größerem Umfang zur Meldung nosokomialer Infektionen mit resistenten Erregern zu verpflichten sowie erneut die Hygienevorschriften für Krankenhäuser zu verschärfen. Diese Schritte sollen durch die Förderung von Antibiotikaforschungen ergänzt werden.

Weiterführende Links:
http://www.faz.net/aktuell/politik/g-7-gipfel/merkel-macht-uebermaessigen-antibiotika-konsum-zum-g-7-thema-13620929.html

3. Acinetobacter baumannii am UKSH – Ableitungen für die Praxis

Zu Beginn des Jahres hatte ein Ausbruch des multiresistenten gramnegativen Erregers (MRGN) im UKSH 31 Infizierte, 18 Tote und einen wirtschaftlicher Schaden von 6,5 Millionen Euro zur Folge. Das Uniklinikum Schleswig-Holstein in Kiel geht nun vorbildlich mit der Aufarbeitung des Acinetobacter-baumannii-Ausbruchs um.

In Person von Professor Stefan Ott, Oberarzt des Instituts für Innere Medizin, schafft das Uniklinikum nun weitere Transparenz und gibt Einblicke, an welchen Schwachstellen ggf. auch andere Krankenhäuser zur Prävention von MRGN-Häufungen ansetzen müssen.

Ein zentraler Punkt zur Vermeidung von MRGN-Ausbrüchen sei neben einer guten Basishygiene u.a. die konsequente Umsetzung eines KRINKO-konformen MRGN-Screenings für Patienten aus Hochprävalenzländern sowie deren präemptive Isolierung bis zum Vorliegen negativer mikrobiologischer Befunde. Bezogen auf den Kieler Indexpatient (hatte in der Türkei einen Autounfall und wurde dann auf die Intensivstation am UKSH eingeliefert) sei zwar ein entsprechendes Screening gelaufen, aber keine prophylaktische Isolierung vorgenommen worden.

Das Screening kann also nur in Kombination mit einer vorsorglichen räumlichen Separierung der Verdachtspatienten seine volle präventive Wirkung entfalten. Vor dem Hintergrund der weiteren Zunahme an multiresistenten Erregern und den eingeschränkten Therapiemöglichkeiten, kommt den richtigen Maßnahmen der Infektionsprävention also eine zunehmende Bedeutung zu.

Auch wenn die Erfahrungen mit dem Ausbruch am UKSH das „Bewusstsein für Hygiene" beim Personal gesteigert hätten, rät Professor Ott zur präventiven Umsetzung von drei Kernelementen im Hinblick auf MRGN:

4. Antibiotika bei Durchfallerkrankungen? - Neue Leitlinie der DGVS

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechsel-krankheiten (DGVS) hebt in der neuen Leitlinie „Gastrointestinale Infektionen und Morbus Whipple“ hervor, dass der Einsatz von Antibiotika bei Durchfallerkrankungen gründlich abzuwägen sei.

Selbst bei Kenntnis des Erregers sei eine Antibiotikabehandlung meist nicht sinnvoll, da sie die Krankheitsdauer nicht verkürzen. Insbesondere aufgrund der zunehmenden Problematik durch Clostridium difficile-Infektionen sei zu beachten, dass Antibiotika häufig auch Ursache schwerer Durchfallerkrankungen sind.

Nur für bestimmte Fälle, wie etwa Infektionen durch Shigellen oder Salmonellen, sei der Einsatz von Antibiotika hingegen indiziert.

Weiterführende Links:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/magen-darminfekte/article/887412/gastrointestinale-infekte-neue-leitlinie-dgvs.html?sh=1&h=573118883
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/62989/Antibiotika-bei-Durchfallerkrankungen-nur-zurueckhaltend-einsetzen?s=antibiotika

Interessierte können die Leitlinie unter www.dgvs.de kostenfrei herunterladen.

5. Dekolonisierung verringert postoperative Wundinfektionen

In den Vereinigten Staaten wurde eine große multizentrische Studie an 20 Krankenhäusern mit dem Fokus auf die Entstehung komplexer Wundinfektionen durchgeführt. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Rate postoperativer Wundinfektionen durch eine präoperative Dekolonisierung deutlich reduziert werden können.

Die über insgesamt 5 Jahre gelaufene untersuchte die Wirkung eines Bündels von Hygienemaßnahmen, darunter ein Nasenabstrich, der beim Vorgespräch entnommen und auf eine Kolonisierung mit Staphylococcus aureus untersucht wurde.

Je nach Abstrichergebnis sollten die Patienten dann ggf. mehrmals täglich eine Chlorhexidin-Waschlösung und Mupirocin zur nasalen Dekolonisierung nutzen. Ergänzt wurde das Bündel durch gezielte perioperative Prophylaxe. Im Nachhinein wurden die elektronischen Patientenakten auf die Umsetzung des Maßnahmenpakets und die Häufigkeit komplexer Wundinfektionen geprüft.

Als wesentliches Ergebnis konnte das Auftreten komplexer Wundinfektionen um ca. 50 % reduziert werden.

Mit der Auswahl der Wirksubstanzen Mupirocin und Chlorhexidin wurde in der Studie der „klassische“ US-amerikanische Weg eingeschlagen. Interessant wäre für den deutschen Markt, inwiefern die Anwendung von z.B. Octenidin®- oder Polyhexanid-basierten Produkten die in der Studie belegte Wirkungslücke bei gramnegativen Erregern schließen könnte.

Weiterführender Link:
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/63012/MRSA-Dekolonisierung-vermeidet-postoperative-Wundinfektionen?s=mrsa

6. Endoprothetik: Fachgesellschaft empfiehlt präoperatives Screening

Die zunehmende Weiterentwicklung bei Implantaten konnte in den letzten Jahren die Belastung und Tragedauer der Kunstgelenke positiv beeinflussen. Bezogen auf das Auftreten periprothetischer Infektionen sieht die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE) aber noch Optimierungspotential.

Bei 1 von 100 mit einem neuen Kunstgelenk ausgestatteten Patienten entzündet sich die Endoprothese nach der Implantation. Die AE hat nun Ratschläge veröffentlicht, mit welchen Maßnahmen die Infektionsgefahr vor und während eines operativen Eingriffes gesenkt werden kann. Ein zentrales Element wird darin gesehen, jeden Patienten standardmäßig präoperativ einem Erreger-Screening zu unterziehen.

In Anlehnung an den mikrobiologischen Befund könne so gezielt dekolonisiert und die Auswahl des präoperativen Antibiotikums ggf. angepasst werden.

Weiterführende Links:
http://www.management-krankenhaus.de/news/kuenstliche-gelenke-screening-auf-problemkeime-vor-op-senkt-infektionsrisiko
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/63005/Fachgesellschaft-empfiehlt-Keim-Screening-vor-Gelenkersatz-OP?s=antibiotika

7. KV-Aufruf: Arztpraxen bei Kampf gegen MRSA unterstützen

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Bayern weist darauf hin, dass deutsche Arztpraxen bessere Rahmenbedingungen brauchen, um MRSA weiter einzudämmen.

Im Jahr 2014 erlitten in Deutschland fast 4.000 Patienten eine lebens¬bedrohende MRSA-Sepsis. Einen Ansatzpunkt zur Reduzierung solcher Raten stelle z.B. ein prästationäres MRSA-Screening vor zeitlich planbaren und elektiven Operationen dar, welches momentan nicht vergütet werde. Der KV-Vorstand wünscht daher die Einführung eines solchen Screenings mit entsprechender Rückvergütung.

Weiterführender Link:
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/63087/Praxen-im-Kampf-gegen-MRSA-staerken?s=mrsa

8. Modellprojekt RAI zeigt Wissenslücken im Umgang mit Antibiotika

Das Modellprojekt „Rationaler Antibiotikaeinsatz durch Information und Kommunikation“, kurz RAI, hat sich zum Ziel gesetzt, für mehr Aufklärung und Transparenz bezüglich Antibiotika zu sorgen. In einer ersten Befragung zeigte sich nun, dass zwar das Bewusstsein für die Problematik in der Bevölkerung relativ hoch ist, gleichzeitig aber immense Wissenslücken bestehen.

Beispielhaft lässt sich hierfür die Frage einbringen, wer oder was gegen ein Antibiotikum resistent werden kann. Hier antworteten viele Teilnehmer mit „Viren und Bakterien“, jeder fünfte gab an, dass auch Menschen resistent werden können. Nur etwa 25 % wählten die korrekte Antwort „ausschließlich Bakterien“ aus.

Dem überwiegenden Teil der Befragten war zudem nicht klar, dass sie durch eigenes Verhalten zur Verhinderung von Antibiotikaresistenzen beitragen können. Dabei können gerade die korrekte Einnahme von Medikamenten oder deren Entsorgung (nicht über den Hausmüll oder die Toilette!) durch jeden Einzelnen beeinflusst werden.

Weiterführende Links:
http://www.management-krankenhaus.de/news/modellprojekt-rai-offenbart-erhebliche-wissensluecken-im-umgang-mit-antibiotika
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/mre/article/887539/tun-zeitbombe-antibiotika-resistenz.html?sh=2&h=-313451520

9. Ebola: Falsches Risikobewusstsein - neuer Schnelltest?

Eine Umfrage in vier niedersächsischen Städten legt nahe, dass viele Bürger die Risiken durch Ebola falsch einschätzen. Darüber hinaus gibt es bezogen auf den Umgang mit Ebola-Verdachtspatienten Entwicklungen, die künftig möglicherweise das Einleiten hygienischer Maßnahmen rascher rechtfertigen.

Über das Ebolavirus und seine Übertragungswege wurde im Zuge der Epidemie in Westafrika auch innerhalb Deutschlands umfassend berichtet. Eine in Niedersachsen durchgeführte Umfrage zeigt allerdings, dass viele Bürger die Risiken von Ebola oftmals völlig falsch einschätzen. In einer Online-Befragung wurde die Teilnehmer z.B. gefragt, wie gut sie sich informiert fühlen, wie sie das Risiko einer Ebola-Erkrankung einschätzen und wie sehr sie sich davon bedroht fühlen.

Obwohl sich jeder vierte Befragte gut informiert fühlte, hatten viele persönliche Ängste gegenüber Ebola geäußert, manchmal verbunden mit dem Glauben, sich z.B. auch bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel anstecken zu können.

Schnelltest diagnostiziert Ebola innerhalb von 15 Minuten

Ein wichtiges Element gegen die Ausbreitung der noch immer neuauftretenden Ebola-Erkrankungen in Westafrika ist die schnelle Bestätigung bei Verdachtspatienten. Bisher wird hier meist ein Test basierend auf einer PCR-Untersuchung durchgeführt. Ein US-Forscherteam hat nun im Lancet Ergebnisse zum sogenannten ReEBOV-Test veröffentlicht, der sich nach Autorenaussage durchaus mit dem derzeitigen PCR-Standardtest auf Ebola messen lassen kann.

Im Vergleich zur PCR-Diagnostik werden Vorteile bei Handhabung, Geschwindigkeit sowie Sensitivität und Spezifität der Untersuchung angeführt. Leider werden keine Angaben dazu gemacht, wann bzw. wie die Untersuchungsmethodik innerhalb Deutschlands sinnvoll eingesetzt werden kann.

Weiterführender Link:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/haemorrhagische-fieber/article/886900/umfrage-offenbart-viele-buerger-schaetzen-ebola-risiken-falsch.html?sh=3&h=1161843079
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/63287/Schnelltest-diagnostiziert-Ebola-innerhalb-von-15-Minuten

10. Hohe Reinigungscompliance verringert nosokomiale Infektionen

Bereits im Februar hat das American Journal of Infection Control einen Artikel über den infektionspräventiven Nutzen täglicher Flächendesinfektionsmaßnahmen veröffentlicht. Hier die Übersetzung der Zusammenfassung:

Hintergrund: Die Dokumentation wirksamer Ansätze zur Beseitigung von Umgebungsreservoiren und zur Reduzierung einer Ausbreitung von nosokomialen Infektionen (HAI) stellte sich als schwierig heraus. Diese prospektive Studie sollte feststellen, ob alleine die krankenhausweite Implementierung eines Einmal-Tuch-Desinfektionssystems (und dessen Anwendung in mind. 80 % aller Fälle) anstelle eines einfachen Reinigungsmittels, die HAI-Rate über 1 Jahr reduzieren kann.

Methoden: In dieser Zeitreihenstudie wurde ein ready-to-use Desinfektionsmittel auf Basis von Wasserstoffperoxid einmal täglich zur Desinfektion aller häufig angefassten Oberflächen (inklusive Isolierzimmern) in einem Einmal-Wischtuch-System anstelle eines Reinigers verwendet. Die HAI-Raten für MRSA, VRE und Clostridium difficile wurden unter Bezug auf die Reinigungscompliance (per UV-Marker-Test) stratifiziert.

Ergebnisse: In den Bereichen, in denen die Reinigungscompliance bei mind. 80 % lag, zeigte sich eine signifikante Reduktion der HAI-Fälle pro 10.000 Patiententage für MRSA (P ¼ .0071), VRE (P < .0001), und C. difficile (P ¼ .0005). Für alle anderen Bereiche mit der (niedrigerer) Reinigungscompliance war ebenfalls ein signifikanter Rückgang der HAI-Fälle pro 10.000 Patiententage zu beobachten: VRE (P ¼ .0358).

Zusammenfassung: Die Studie zeigte, dass der tägliche Gebrauch eines Einmal-Wischtuch-System zur Desinfektion aller häufig angefassten Oberflächen bei mind.
80 % Reinigungscompliance einem Reinigungsmittel in Bezug auf die signifikante Reduktion von Infektionsfällen durch Clostridium difficile, MRSA und VRE überlegen war.

Weiterführender Link zur Erstveröffentlichung:
http://www.ajicjournal.org/action/showFullTextImages?pii=S0196-6553%2814%2901284-X

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