Hygiene-News Juli 2015
1. Ambulantes Operieren: Hygienevorschriften erhöhen Kosten
Der Bundesverband Ambulantes Operieren (BAO) informiert darüber, dass die Zunahme an Hygieneanforderungen in den letzten Jahren die Kosten für ambulante Operationen deutlich erhöht haben.
Gestützt auf ein Gutachten, das sich auf entsprechende Referenzwerte von 2005 bezieht, wird von einer Kostensteigerung von durchschnittlich 55 Euro je Eingriff berichtet. Dabei fallen laut BAO am meisten die getätigten Investitionen und die an Hygienemaßnahmen gebundenen Arbeitszeiten als große Kostentreiber auf.
BAO-Präsident Axel Neumann hebt grundsätzlich die Bereitschaft der niedergelassenen Operateure und Anästhesisten zur Umsetzung der notwendigen Hygienemaßnahmen hervor, verweist aber auch auf die notwendigen finanziellen Voraussetzungen.
Leider gehen weder der BAO noch das Gutachten auf die durch wirksame Hygienemaßnahmen verhinderten nosokomialen Infektionen ein. Damit bleiben in den Aussagen nicht nur die eingesparten Kosten für Folgebehandlungen, sondern auch die verbesserte Behandlungsqualität sowie die erhöhte Patientensicherheit unberücksichtigt.
Weiterführende Links:
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/63432/Hygienevorschriften-steigern-Kosten-des-ambulanten-Operierens?s=hygiene
http://operieren.de/content/e3472/e41427/e41428/publication41429/150527-----GutachtenHygienezuschlag12neu2106151800.pdf
2. Hygiene-Fragebogen für ambulante Praxen
Das Kompetenzzentrum Hygiene und Medizinprodukte der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hat einen Fragebogen zur Selbsterhebung des Hygiene-Status für Arztpraxen entwickelt.
Der Fragebogen ist relativ umfangreich und deckt die Anforderungen und Rechtsvorschriften an Hygiene und Medizinprodukte gleichermaßen ab. Zur Nachvollziehbarkeit der einzelnen Prüfaspekte sind die Fragen mit Erläuterungen und Vorschlägen zur Umsetzung ergänzt. Damit eignet sich der Fragebogen auch im Besonderen zur Vorbereitung behördlicher Hygienebegehungen.
Weiterführende Links:
Der Fragebogen der KBV im Netz: http://goo.gl/EVXOiD
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/praxisfuehrung/article/890356/hygiene-kbv-unterstuetzt-praxischefs.html?sh=5&h=1161843079
3. Wissenswertes zu Beweislast und Beweislastumkehr
„Nosokomiale Infektion durch einen multiresistenten Erreger“ – das klingt nach Hygienedefiziten und Behandlungsfehlern. Bei Schadensersatzklagen berücksichtigen Gerichte aber auch das sogenannte „Lebensrisiko“ des Patienten. Die Nordwest-Zeitung beschreibt anschaulich, was das bedeutet und dass es von Patientenseite längst nicht ausreicht, dem Krankenhaus allgemeine Missstände zu unterstellen.
Im Fall der Fälle wird dem Krankenhaus z.B. häufig vorgeworfen, dass der betroffene Patient nicht ausreichend von anderen Patienten abgeschirmt oder die Umsetzung der Hygienestandards nicht dokumentiert wurde. Grundsätzlich ist es allerdings so, dass der Patient zunächst den ursächlichen Behandlungsfehler (Übertragung des Erregers) und den daraus folgenden Gesundheitsschaden (Infektion) beweisen muss. Meist können aber nicht mal Zeitpunkt und Quelle der Übertragung festgestellt werden.
In vielen Fällen gehört die Infektion zum Lebensrisiko des Patienten, auch weil selbst bei Umsetzung aller Vorgaben des Robert-Koch-Instituts ein Restrisiko bleibt. Meist besteht nur bei unstrittigen Zusammenhängen, bei denen das Infektionsrisiko objektiv voll hätte ausgeschlossen werden können, die Möglichkeit zu einer erfolgreichen
Klage.
Weiterführender Link:
http://guide.nwzonline.de/themen/geld-und-recht/recht/die-beweislast-liegt-beim-patienten_a_29,0,1657126596-guide.html
4. Antibiotika: Entwicklungen und Respekt sollen gefördert werden
Die Politik plant Anreize zur Antibiotikaentwicklung und zugleich sollen Ärzte noch mehr als bisher ihr Verordnungsverhalten hinterfragen. Als zentrale Herausforderung wird die aktuelle und künftige Entwicklung der gramnegativen Bakterien gesehen.
Zurzeit seien weltweit nur 41 Antibiotika in der Entwicklung – auch weil diese meist nicht als sehr investitionsträchtig angesehen werden. Zwar sei durch erste Maßnahmen z.B. die Raten an MRSA-Infektionen bereits abgesenkt worden, insbesondere zur Reduzierung von Infektionen mit gramnegativen Bakterien seien allerdings ganzheitliche Verbesserungen vonnöten, die alle Aspekte der Antibiotikagabe umfassen.
Weiterführender Link:
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/63388/Experten-fordern-mehr-Respekt-vor-Antibiotikaverordnungen?s=hygiene
5. Uniklinikum Mannheim: Es bewegt sich was
Nach den Hygieneproblemen in der ZSVA der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) zeigen sich mittlerweile deutliche Auswirkungen:
UMM geht offensiver mit Berichterstattung um
Pressemitteilungen sind nicht unbedingt dafür bekannt, immer objektiv zu sein. Die UMM wehrt sich nun gegen wiederholte negative Medienberichte. Zunächst war von „mehr Wundinfektionen (…) als bisher bekannt“ die Rede. Nach dem dies dementiert wurde, sollte direkt mit weiteren Falschmeldungen aufgeräumt werden. Bereits im Dezember hatte die UMM angekündigt, verlorenes Vertrauen wiedergewinnen zu wollen.
Immer wieder wurde über tote Fliegen in sterilen OP-Sieben oder über kontaminierte Skalpelle berichtet. Beide Behauptungen wurden jetzt entkräftet, wie UMM-Sprecher Dirk Schuhmann bestätigt. Er erläutert z.B., dass im Universitätsklinikum seit mehr als zehn Jahren Einwegskalpelle benutzt werden.
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/klinikmanagement/article/890144/hygieneskandal-uniklinikum-mannheim-geht-offensive.html?sh=7&h=1161843079
http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/hygienemaengel-uniklinik-mannheim-buergermeister-in-bedraengnis-a-1042090.html
Die Folgen des Hygieneskandals bleiben spürbar
Die FAZ beschreibt sehr anschaulich, welche Hintergründe den „Hygieneskandal“ in die Länge ziehen und welche Konsequenzen noch immer im Alltag spürbar sind.
Auch wenn die ursächlichen Probleme bereits vor Monaten angegangen und wohl behoben wurden, sorgt die Klinik noch immer hin und wieder für unruhige Nachrichten. Dies hat wohl auch Ursachen in der Lokalpolitik, da Peter Kurz - Aufsichtsratschef der Klinik - zugleich auch Oberbürgermeister Mannheims ist und durch politisch motivierte Klinikberichte wohl an Ansehen verlieren soll. Für Außenstehende macht dies eine Differenzierung der Nachrichten in neutrale Berichterstattung oder bewusst lancierte Falschmeldungen schwierig.
Seitdem im vergangenen Oktober das zuständige Regierungspräsidium die Aufbereitung der OP-Bestecke als unsachgemäß bemängelt, wurde ein Großteil des Instrumentariums ausgetauscht und 14 Millionen Euro in eine neue ZSVA investiert. Ruhe ist bisher dennoch nicht eingekehrt.
Als eine Maßnahme, um das Vertrauen bei den Patienten wiederzuerlangen, werden die Ergebnisse der engmaschigen Prüfungen durch die Gesundheitsbehörden veröf-fentlicht. Diese Transparenz führt allerdings wiederum dazu, dass selbst kleine Unregelmäßigkeiten medial hochgekocht werden.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/universitaetsklinikum-mannheim-kaempft-ums-patienten-vertrauen-13690080.html
http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2015-07/uniklinik-mannheim-keime-infektion
Neustart in der Krankenhaushygiene-Abteilung
Zum 1. Juli hat die UMM eine neue Stabsstelle für Krankenhaushygiene unter Leitung des Krankenhaushygienikers Klaus Schröppel eingerichtet. Ausgestattet mit einer in allen hygienerelevanten Belangen geltenden Weisungsbefugnis wird er nun zentrale Verantwortung für Infektionsprävention sowie hygienische Strukturen und Prozesse übernehmen.
Mit der Neuorganisation führt die UMM die Hygienefachkräfte und Krankenhaushygieniker, die bisher am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene beschäftigt waren, in einer zentralen Stabsstelle zusammen.
34,5 Millionen Euro Defizit
Im abgelaufenen Geschäftsjahr hat die UMM ein buchhalterisches Minus von 34,5 Millionen Euro verbuchen müssen. Nach dem im Vorjahr noch ein Überschuss von 4,5 Millionen Euro ausgewiesen werden konnte, seien für das dramatische Minus auch die zeitweise ausgefallen OP-Räumlichkeiten aufgrund von Hygiene-Mängeln ursächlich.
Die Zahl der Patienten sank im gleichen Zeitraum um vier Prozent.
6. MERS: Details zum Erregerprofil
MERS-CoV (Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus) kann tödliche Atemwegsinfektionen und Multiorganversagen hervorrufen und war mittlerweile bereits mehrfach Auslöser größerer Ausbrüche – zuletzt in Südkorea. Das Ärzteblatt hat nun anschaulich die wesentlichen Schlussfolgerungen für deutsche Krankenhäuser zusammengefasst.
Das mit SARS verwandte MERS-CoV wurde erstmals im September 2012 in einer Klinik in Saudi-Arabien entdeckt. Auf der arabischen Halbinsel sind bis dato auch die häufigsten Erkrankungen durch MERS festgestellt worden. Trotz einzelner Weiterverbreitungen und kleinerer Ausbrüche besteht bisher nur lückenhaftes Wissen über das neue Virus. Fest steht lediglich, dass es nur bei engem Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen werden kann und anders als SARS wohl kein pandemisches Potential besitzt.
Für die Allgemeinbevölkerung in Deutschland bestehe laut Dr. med. Udo Buchholz, Leiter der Abteilung Epidemiologie am RKI, zwar kein erhöhtes Risiko, deutsche Krankenhäuser müssten allerdings jederzeit mit importierten Fällen rechnen. Aus diesen Einzelfällen könnten sich dann rasch Ausbrüche entwickeln – wenn die hygienischen Erstmaßnahmen nicht greifen.
Der zuletzt aufgetretene Ausbruch in Korea lässt sich nach WHO-Angaben auf verschiedene Ursachen wie die verzögerte Diagnose des Indexfalls, häufige Klinikwechsel und die Patientenpflege durch Angehörige mit entsprechenden Nachlässigkeiten bei der Umsetzung basishygienischer Maßnahmen zurückführen.
Für die praktische Krankenhaushygiene sollte daher abgeleitet werden, dass insbesondere in Notaufnahme-Stationen die Umsetzung der hygienischen Erstmaßnahmen bekannt ist und die nötigen Hygiene-Utensilien bereit stehen; dies bedeutet:
Erweiterte Basishygiene mit zusätzlichem Schutz der Atemwege:
- Atemschutzmaske (vorzugsweise FFP2)
- Augenschutz,
- Handschuhe,
- Schutzkittel.
Dabei sollte vor allem darauf geachtet werden, den direkten Kontakt mit Sekreten und Körperflüssigkeiten zu meiden. Das RKI orientiert sich bei den Hygieneempfehlungen fachlich an den Veröffentlichungen zum Umgang mit SARS-Patienten.
Weiterführende Links:
http://www.aerzteblatt.de/archiv/171216/Infektionskrankheiten-MERS-Profil-eines-neuen-Erregers?s=hygiene
Zum Thema MERS führte die FAZ ein lesenswertes Interview mit dem RKI-Chef Lothar Wieler und fragt hier u.a. gezielt nach den Ursprüngen solch neuer Erreger und worauf sich das deutsche Gesundheitswesen aus infektiologischer Sicht einstellen muss:
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/rki-chef-lothar-wieler-im-interview-ueber-mers-virus-13658810.html
7. Gedankenspiele zur MRE-Bekämpfung
Nicht zuletzt die DGKH hat durch ihre Null-Infektionen-Kampagne dafür sensibilisiert, dass das deutsche Gesundheitswesen noch Potential zur Verbesserung der Krankenhaushygiene erschließen könnte. Da sich auch die Zunahme an multiresistenten Krankheitserregern wohl kaum von selbst löst, werden immer wieder ergänzende Maßnahmen der Krankenhaushygiene diskutiert.
Aus unserer Sicht ist vor allem ein zuletzt erschienener Artikel der „Welt“ von besonderem Interesse, da hier viele Argumente auftauchen, die auch von Patienten oder Fachfremden immer wieder angeführt werden.
Über übliche Instrumente wie die KISS-Programme des NRZ oder die Ideen der Aktion saubere Hände hinaus werden einige Vorschläge genannt, aber leider nur relativ oberflächlich behandelt:
- Beschichtete Oberflächen zur Keimreduktion
- Transponder bzw. „Wearables“ zur Überprüfung, ob eine Händedesinfektion richtig durchgeführt wurde
- MRSA-Schnelltests
- Harmonisierung der verschiedenen Landes-Hygieneverordnungen.
Krankenhaushygiene-Abteilungen empfehlen wir, im Besonderen zu den drei zuerst genannten Stichpunkten Meinungen zu entwickeln (z.B. „kupferbeschichtete Türklinken ersetzen keine Händedesinfektion“; „Transponder sind arbeitsrechtlich nicht durchführbar“; „MRSA-Schnelltests sind häufig falsch-positiv“).
Weiterführende Links:
http://www.brennpunkt-hygiene.de/2015/07/moegliche-wege-zur-bekaempfung-von-multiresistenten-keimen-mre-in-einrichtungen-des-gesundheitswesens/
http://www.welt.de/gesundheit/article139881797/Was-Krankenhaeuser-gegen-Killerkeime-tun-koennten.html
8. Wussten Sie schon, dass …
… in Hessen pathogene Keime in frisch gezapftem Bier gefunden wurden?!
Biertrinkende Hygieniker aufgepasst! Kein Scherz - seit Anfang des Jahres haben hessische Kontrolleure in 37 von 87 Proben frisch gezapften Bieres mikrobiologische Unregelmäßigkeiten entdeckt, die auf Hygienemängel hinweisen.
Ursachen für die Keimbefunde liegen wohl am häufigsten in der falschen Gerätebedienung bzw. in der defizitären Reinigung des Geräts. In zwei Fällen wurden allerdings auch Fäkalerreger entdeckt, welche wiederum auf Nachlässigkeiten in der persönlichen Hygiene hindeuten.
Aufgrund der üblichen Trinktemperatur und der typischen Bier-Inhaltsstoffe stellen die Befunde glücklicherweise keine Gesundheitsgefährdung dar. Hygienefachleute haben ohnehin einen großen Wissensvorteil: Neben dem Griff zum Flaschenbier kennen Sie auch andere Methoden, sich unliebsame Keime vom Hals zu halten: Filtrierung, Thermische Desinfektion, …
Ob das Bier dann noch schmeckt, steht auf einem anderen Papier…
Weiterführender Link:
http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/hessen-keime-in-frisch-gezapftem-bier-13722624.html
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