Hygiene-News April 2015

1. Gröhes Plan gegen multiresistente Krankheitserreger

Im Zuge der G7-Präsidentschaft Deutschlands nannte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ein Zehn-Punkte-Programm zur Verbesserung der Infektionsprävention. Multiresistente Erreger stehen in dem Programm besonders im Fokus.

In Deutschland sterben jährlich mehr als 15.000 Patienten aufgrund von nosokomialen Infektionen. Eine Krankenhausreform könnte neben einem schon laufenden Förderprogramm des Bundes zu einer Verringerung dieser Zahl führen. Gröhe schlägt die folgenden Punkte zur Verbesserung vor:

  • Konsequente Umsetzung der KRINKO-Empfehlungen (dabei soll das RKI insbesondere regionale Hygienenetzwerke besser unterstützen)
  • Sicherstellung von qualifiziertem Hygienefachpersonal in Krankenhäusern
  • Die Qualitätsberichte der Einrichtungen sollen die Hygienestandards auch für Patienten verständlich darstellen
  • Verschärfung von Meldepflichten (z.B. sollen 4MRGN und C. difficile nicht erst bei Häufungen, sondern bereits beim ersten Auftreten gemeldet werden)
  • Verpflichtende Fortbildung des medizinischen Personals im Bereich der rationalen Antibiotika-Therapie (ambulant und stationär)
  • Verstärkte Unterstützung von Forschungsvorhaben in den Themengebieten nosokomiale Infektionen und Antibiotika-Resistenz
  • Aktualisierung der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART)
  • Förderung der Entwicklung neuer Antibiotika
  • Unterstützung der WHO bei der Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen
  • Ausweitung der internationalen Bekämpfung resistenter Krankheitserreger

Gröhes 10-Punkte-Plan weist gute Grundideen, aber noch keine expliziten Umsetzungsstrategien auf. Für nachhaltige Verbesserungen in den Hygienestrukturen der Krankenhäuser sind vermutlich langfristige Investitionen in Ausbildungsstätten und auch in die baulichen (Isolierungs-)Voraussetzungen von Krankenhäusern notwendig.

Weiterführende Links:
http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/klinikmanagement/article/882083/klinik-hygiene-groehes-plan-killer-keime.html?sh=2&h=1161843079
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/62254/Groehe-legt-10-Punkte-Plan-zur-Bekaempfung-resistenter-Keime-vor?s=hygiene

2. DGI fordert mehr infektiologisch geschultes Personal

Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) teilt mit, dass der Fachkräftemangel im Bereich der Infektionskrankheiten für die Umsetzung des Zehn-Punkte-Plans des Bundesgesundheitsministeriums hinderlich ist.

"Erforderlich wären hier rund 1000 Infektiologen in Deutschland statt der geschätzten 300, die es bisher im Krankenhausbereich gibt", erklärt Professor Gerd Fätkenheuer, DGI-Vorsitzender und Leiter der Infektiologie an der Klinik I für Innere Medizin am Uniklinikum Köln. Des Weiteren sollen neben Infektiologen auch mehr Mikrobiologen und Hygieniker beschäftigt werden.

Hierfür sieht die DGI das Bundesgesundheitsministerium in der Pflicht und fordert, entsprechende Weiterbildungen zu fördern. Die bestehenden DGI-Fortbildungskurse in Antibiotic Stewardship (ABS) für Ärzte und Apotheker wurden zeitweise schon vom Bundesgesundheitsministerium unterstützt. Die Fortbildung des Personals zu Spezialisten sei ein grundlegender Schritt für die Zukunft der Infektionsmedizin.

Weiterführender Link:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/mre/article/882876/klinik-keime-infektiologisch-geschultes-personal-gefordert.html?sh=1&h=-313451520

3. EN 16615: der 4-Felder-Test kommt in diesem Jahr

Die endgültige Fassung der EN 16615, auch „4-Felder-Test“ genannt, soll in diesem Jahr veröffentlicht werden. In der Praxis zeigte sich, dass es nicht nur auf die Wirksamkeit von Desinfektionsmittellösungen gegenüber Krankheitserregern ankommt, sondern in der Praxis auch die Kompatibilität mit dem genutzten Wischbezug bzw. -tuch berücksichtigt werden muss.

Bei der Anwendung einiger Desinfektionsmittel, die etwa quartäre Ammoniumverbindungen enthalten, kann es dazu kommen, dass die Wirkstoffe nicht auf die Oberfläche gelangen, sondern bis zu 60% an den Fasern von Wischbezug oder -tuch adsorbieren. Wenn Desinfektionswirkstoffe erst gar nicht die Oberfläche erreichen, ist eine desinfizierende Wirkung natürlich ausgeschlossen.

Mit dem 4-Felder-Test, der durch eine Arbeitsgruppe unter Führung des VAH-Vorsitzenden Dr. Jürgen Gebel entwickelt wurde, werden dem klinischen Alltag ähnliche Untersuchungen gemacht, um das Risiko von Keimverschleppungen zu prüfen.

Weiterführender Link:
http://www.brennpunkt-hygiene.de/2015/03/en-16615-der-4-felder-test-kommt-in-diesem-jahr/

4. Flächenleistung: nicht nur Tuchgröße entscheidend

Eine These bei der Flächendesinfektion lautete bisher: „Je größer das Einmaltuch, desto größer die Reichweite.“ Diese Behauptung konnte in einer Studie widerlegt werden.

Die Tuchmaße bestimmen nicht allein die Flächenleistung. Schweins et al. untersuchten in ihrer Studie die Desinfektionsleistung ausgewählter alkoholisch getränkter Einmaltücher auf patientennahen Flächen. Es zeigte sich auch, dass die Wirtschaftlichkeit bei der Tuchdesinfektion mehr von der Qualität des Vliestuchs und der Wirkstoffkombination als von der Tuchgröße abhängt.

In der praxisnahen Untersuchung schnitten zwei Produkte der Bode Chemie GmbH am besten ab. Hinsichtlich der Reichweite waren die Kombinationen aus speziellen Wirkstoffrezepturen mit passendem Polyester-Vliestuch und einem hohen Flüssigkeitsgehalt am vielversprechendsten.

Weiterführender Link:
http://www.management-krankenhaus.de/whitepaper/flaechenleistung-tuchgroesse-nicht-allein-entscheidend

In der "Hygiene & Medizin" (Ausgabe 04/2015) kann zudem die Erstveröffentlichung der Untersuchung unter dem Titel "Einflussfaktoren auf die Flächenleistung wirkstoffgetränkter Einmal-Wischtücher zur Reinigung und Desinfektion im medizinischen Bereich" eingesehen werden.

5. C. difficile – ein Problemerreger mit zunehmendem Potential

Der Bund deutscher Chirurgen (BDC) weist die Mitglieder der eigenen Fachrichtung gezielt auf die infektiologischen und hygienischen Besonderheiten beim Auftreten von Clostridium difficile hin. Inhaltlich nichts wirklich Neues – aber Hygienefachpersonal kann sich womöglich auf mehr Nachfragen einstellen.

Die Infektion mit toxinbildenden Clostridium difficile Stämmen kann sehr gefährliche Folgen haben (pseudomembranöse Kolitis, toxisches Megakolon). Leider kann die Infektion bei Antibiotikatherapie als eine Nebenwirkung auftreten und speziell bei älteren Patienten wird von einer Letalität bis 10 % der Betroffenen berichtet.

Die nosokomiale Infektionsrate beträgt deutschlandweit etwa 1% bei der Antibiotikagabe von Fluorchinolonen oder Cephalosporinen. Zahlreiche Studien belegten, dass eine Reduktion der Antibiotikagabe auch die Zahl an C. difficile Infektionen senkte.

An C. difficile sind als Sporenbildner besondere Maßnahmen der Desinfektion gebunden. Über eine räumliche Isolierung hinaus sind häufig andere als die üblichen Flächendesinfektionsmittel einzusetzen – z.B. Sauerstoffabspalter oder Produkte auf Aldehydbasis.

Darüber hinaus reduziert eine zur Händedesinfektion ergänzend durchgeführte Händewaschung die Anzahl der Sporen besser als eine alleinige alkoholische Händedesinfektion. Therapieoptionen für Infizierte sind die Beendigung der Antibiotikagabe (bei 20% erfolgreiche Sanierung) oder neben Metronidazol und Vancomycin das relativ neue Antibiotikum Fidaxomicin. Zudem wurden in neueren Untersuchungen äußerst positive Erfahrungen mit Stuhltransplantationen berichtet.

Weiterführender Link:
http://www.bdc.de/index_level3.jsp?form=Dokumente&documentid=8D2CE0D2E7D59A9EC1257E210037D24C

6. Erster MERS-Coronavirus-Fall in Niedersachsen

In der Nähe von Osnabrück wird seit dem 06.03.2015 ein Patient mit dem Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS-CoV) behandelt, der im Februar aus Abu-Dhabi nach Deutschland zurückflog.

Nach dem Verdacht auf das Virus wurde der Patient sofort auf einer Isolierstation untergebracht. Das Konsiliarlabor der Universität Bonn bestätigte die Infektion. Das CoV überträgt sich von Mensch-zu-Mensch bei engem Kontakt. Es besteht keine Gefahr für die Allgemeinbevölkerung.

Weiterführender Link:
http://www.nlga.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=6570&article_id=131898&_psmand=20

7. Wussten Sie schon, dass …

… vorgetränkte Tücher auf Basis quartärer Ammoniumverbindungen meist nicht zur Aufbereitung von transvaginalen Ultraschallsonden geeignet sind?

Hintergrund ist nicht etwa eine fehlende Materialverträglichkeit, sondern eher das unzureichende Wirkungsspektrum der Desinfektionsmittel. Unter Berücksichtigung der KRINKO-Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts ist für die Desinfektion von Medizinprodukten mit Schleimhautkontakt ein Desinfektionsverfahren mit bakterizider, fungizider und (voll) viruzider Wirkung anzuwenden.

Daher gewährleisten z.B. beliebte Präparate wie die Mikrobac® Tissues von Bode® oder Cleanisept® Wipes von Dr. Schumacher® aufgrund der fehlenden Viruzidie keine KRINKO-konforme Aufbereitung transvaginaler Ultraschallsonden. Grundsätzlich gilt, dass in solch hygienesensiblen Bereichen im Besonderen auf die Informationen in den Produktdatenblättern der Desinfektionsmittel geachtet werden sollte.

Weiterführender Link:
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/Kommission/Downloads/Medprod_Rili_2012.pdf?__blob=publicationFile

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